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Die Dame neben mir
Die Dame neben mir ächzte noch lauter und vernehmlicher als ich.
Ihr Schweiß floss in Strömen, ihre Brille rutsche stets und ständig von der schweißnassen Nase und wurde ebenso stets und ständig mit einerm energischen Ruck wieder nach oben an die richtige Stelle geschoben.
Obwohl sehr unhöflich, konnte ich nicht anders, als die Dame neben mir verstohlen zu beobachten.
Das Alter ließ sich schwer schätzen, aber die 80 schien die Dame mir schon weit hinter sich gelassen zu haben.
Ihr hellblaues, sportliches Shirt war längst durchgeschwitzt, an den Händen trug sie - ganz profihaft - Sporthandschuhe.
Systematisch rackerte sie sich an jedem verfügbaren Gerät ab.
Ich merkte, dass es ihr sichtlich schwer fiel. Hin und wieder gelang es ihr kaum, die Sitzflächen der Geräte alleine zu "erklimmen".
Nur ungern ließ sie sich helfen.
Und während ich ebenso systematisch meine Übungen absolvierte, stellte sich mir die Frage, warum man sich das in diesem Alter antut?
Ich stellte mir vor, ich wäre über 80 oder in einem sonstwie denkwürdig gearteten Alter.
Ehrlich, ich kann mich jetzt schon nur mit Mühe aufraffen ins Fitnessstudio zu fahren.
Kaum vorstellbar, dass ich das je in einem solchen Alter und unter diesen sichtlichen Qualen tun würde.
Nach einem besonders lauten Ächzer, Seufzer und Kannnichtmehrlaut traute ich mich und sprach die Dame neben mir an.
Wir gerieten ins Gespräch und irgendwann stellte ich die Frage, die mich brennend interessierte:
WARUM?
"Weil ich weiß, wenn ich aufhöre mich zu überwinden, dann, erst dann bin ich wirklich alt!"
Ich muss gestehen, sie hat mich beeindruckt, die Dame neben mir.
Und wahrscheinlich ist mein Körper weitaus älter als der ihre.
Meine Vorturnerin bei einem Beckenboden-und Rückenkurs war jenseits der 70, geschmeidig und gelenkig wie eine Katze und sprang vor lauter Spaß schon mal in den Handstand...
...ich war sehr! beeindruckt!
Gut dreißig Jahre jünger und wesentlicher steifer als diese Dame grüßt
Britta
vom 10.01.2007, 12.43