Ausgewählter Beitrag
Nahkampfphase
Ich finde es ganz ausgesprochen wunderbar, dass nun die gesamte Nachbarschaft im näheren und weiteren (bis weitläufigen) Umkreis darüber informiert ist, dass unsere Jüngste heute ins Bett möchte ohne sich vorher die Zähne putzen zu müssen.
Schon die Autofahrt nach Hause war deutlich geprägt von jähzornigen Tobsuchtsanfällen mit dem immer gleichen Refrain:
"Ich will aber nicht die Zähne putzen heute. Heute deh ich ohne Zähneputzen ins Bett. Mama, ich wihilll aber nichicht!"
*schluchz*
Die Tritte vom Kindersitz aus gezielt in meinen Rücken platziert, das nonstop Geschrei sowie eine ältere Tochter, die lautstark weinte, weil ihr a) das Geschrei der kleinen Schwester "viel zu laut für meine Ohren" war und sie b) heute nicht die heißersehnte Blockflöte bekam - wer kann auch ahnen, dass mittwochs der einzige Musikladen vor Ort geschlossen ist - verbesserten meine Laune nicht unbedingt und so kamen wir schon sichtlich leidend zu Hause an.
Es erfordert einiges Geschick, zwei brüllende und tobende Kleinkinder, ein großes Postpaket und drei Einkaufstaschen vom Parkplatz vor dem Haus in eben dieses zu befördern.
Schön auch die Tatsache, dass es regnete und Kind Nr. 2 das Zahnputzgeheul daraufhin im Wechsel mit: "Es regnet, es regnet. Ich will nicht nass werden. Ich wihill nichicht nass werden. Mama, mach den Regen weg!" erschallen ließ.
Ganz ruhig bleiben. Nur die Ruhe. Mein genervtes Mutterich suchte krampfhaft die innere Balance, ein wenig abgelenkt von der ersten reißenden Plastiktüte und den darufhin überall hinrollenden Tomaten.
Während ich den durch den Pfützen hoppsenden Tomaten nach sah, schrie Kind Nr.1:
"Hör auf zu schreien, Phia. Meine Ohren tun weh. Aua. Aua. AUA." Kind Nr. 2 - recht wenig beeindruckt vom Genöle der älteren Schwester - legte nun noch ein wenig an Lautstärke zu und schrie: "Ich p u t z e heute teine Zähne!"
Mag sein, unsere Nachbarn lassen jetzt bereits immer um 17.45 Uhr die Rolläden herunter, darüber kann ich mir nicht wirklich ein Urteil erlauben. Nur, ich gehe davon aus, dass auch die Nebenstraßennachbarn in den Genuss meines Töchtergeschreis kamen.
"Geht jetzt hinein!" kommandierte ich sichtlich am Rande meines Frustrationsvermögens. Meine guterzogenen Töchter stapften aber lieber weiterhin durch die fetten Pfützen, nur um anschließend heulend zu verkünden, sie hätten nasse Füße.
Warum soll es ihren Füßen auch besser gehen als den mittlerweilen versumpften Tomaten? - fragte ich mich kurzzeitig, ehe ich beschloss meine Kinder zu ignorieren und mich um Paket und Einkäufe zu kümmern.
Der heranrasende, nicht angeleinte Nachbarshund entlockte beiden Mädel noch eine kurze Panikattacke ehe sie fluchtartig die Wohnung aufsuchten.
Flucht - das war auch mein Gedanke und so bin ich heilfroh - ich Rabenmutter ich - dass KiKa mir meine Nerven rettete.
Einträchtig und friedvoll schauen die beiden engelsgleichen Kinder nun "Au Schwarte" und Muttern hat Zeit, sich ein klein wenig zu erholen ehe es in die heiße Zahnputznahkampfphase geht!
ach, wie klingt das alles so vertraut!
Inzwischen sind die Schätze 8 und 11, in der himmlischen Zeit nach der ersten und vor (so sagt man mir) der eigentlich schlimmen Ablösephase.
Ich habe bei solchen Kämpfen immer versucht, mich von der angegriffenen Allmachtsposition zurückzuziehen. "Ich kann zwar aufhören, Dich ans Zähne putzen zu erinnern - aber ich kann Karius und Baktus leider nicht das Fressen verbieten. Mit denen mußt Du rumschreien - nicht mit mir!"
Aber: Sind sie nicht unglaublich in ihrem mut, gegen jede Mauer anzurennen? Und in ihrem Vertrauen, daß wir sie trotzdem schützen können? LG Eva
vom 20.09.2005, 08.52