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Wenn ein Stück Kindheit geht......

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass es immer irgendwie ganz besonders roch, wenn ich in die Wohnung meiner Großeltern kam.
Es war dieser bestimmte, altertümliche und dennoch heimelige Geruch. Dieser Geruch, bei dem man zunächst die Nase rümpfte und der einem bereits nach kurzer Zeit wieder vertraut war.

Ich liebte meine Großeltern so, wie Enkelkinder wahrscheinlich ihre Großeltern lieben.
Ich wusste genau, wann es Mausespeck gab und wie ich eine zusätzliche Mark erbetteln konnte.
Ich hörte an dunklen Abenden, in diesem vollgestopftem kleinen Wohnzimmer die Geschichten von früher und es war, als kamen meine Großeltern aus einer anderen Welt.
Es war spannend in diese Welt einzutauchen, aber nach wenigen Stunden, manchmal vielleicht Tagen, zog es mich zurück ins Hier und Jetzt.

Damals schämte ich mich dafür, dass meine Oma beständig "mir" und "mich" verwechselte und großen Wert darauf legte, dass an jedem Abend ein Apfel und eine Apfelsine gegessen wurde.
Der Apfel und die Apfelsine - das ist vielleicht das, was mich am meisten an meine Großeltern erinnert.

Heute ist meine Oma eingeschlafen.
Friedlich, so sagen sie, aber das sagen sie wahrscheinlich immer.
Sie ist eingeschlafen und nicht wieder aufgewacht und ich komme nicht umhin zu denken, dass es das Beste war in ihrem jetzigen Leben, in ihrem jetzigen Zustand.

Wobei das natürlich eine Anmaßung ist, entscheiden zu wollen, dass der Tod das Beste ist, was jemanden widerfahren kann.
Seltsamerweise fühle ich mich ihr jetzt viel näher als in den Jahren, in denen sie einfach wie tot dalag, aber ihr Herz noch schlug.
Ich bin nicht wirklich traurig.

Abschied genommen habe ich vor langer Zeit, das, was ich jetzt empfinde ist eher Wehmut.
Da ist ein letztes Stück meiner Kindheit gegangen.
Einfach so.

Sie hat schon lange nicht mehr nach Kindheit gerochen und sie konnte mir schon viele Jahre lang keinen Apfel mehr schälen.
Und die Geschichten ihrer Jugend waren lange verklungen.

Wie muss es sein, wenn man einfach nur noch irgendwo und irgendwie da ist, ohne das Leben zu fühlen, zu schmecken, zu riechen, zu leben.
Liegend in einem Bett, in einem Zimmer, umgeben von Fremden, die niemals Vertraute werden.

Sehen können ohne wirklich zu sehen.
Hören zu können ohne wirklich zu hören.
Da zu sein ohne wirklich am Leben teilnehmen zu können.

Seltsam, dass sie erst sterben musste, um mich daran zu erinnern wie es war an den Abenden meiner Kindheit.

Ich wünsche ihr von Herzen, dass es so sein wird für sie, wie Hesse in seinen "Stufen" schreibt:

"Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
uns neuen Räumen jung entgegen senden:
des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!"

augenBloglich 26.09.2010, 16.03

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