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Blogeinträge (themensortiert)

Thema: Gedanken

Du trennst dich einfach nie allein

Die meist gesehene Geste in den vergangenen Wochen, die meine Gegenüber intuitiv machten, nachdem ich ihnen berichtete, dass ich mich von meinem Mann getrennt habe, war, spontan die Hände vor den weit offenstehenden Mund zu legen.


Wahlweise hörte man zeitgleich ein ungläubiges Stöhnen oder einen entsetzten Ausruf alá „Oh mein Gott!“ oder (mein persönliches Highlight): „Muss das denn sein?“

 


(Nein, es muss natürlich nicht sein. Wir sitzen hier spontan und unüberlegt, aus einer heiteren Laune heraus und geben bekannt, dass wir uns nach 14 Jahren Zusammensein - und mit zwei wundervollen Töchtern gesegnet - trennen!)

 


Häufig schienen die anderen Menschen trostbedürftiger als ich selber und so versicherte ich immer rasch: „Das ist okay so, wirklich!“


Im Großen und Ganzen trennt man sich offensichtlich grundsätzlich nie allein. Die allermeisten Menschen, seien es gute Freunde oder flüchtige Bekannte, haben natürlich eine Meinung zu deiner Trennung und vor allem – ob selber je getrennt oder nicht – wissen die meisten, wie man sich zu trennen hat und wie man sich bitte – das erscheint besonders wichtig – dabei zu fühlen hat.


Ohne die Menschen in Schubladen zwängen zu wollen, haben sich in der vergangenen Wochen folgende Reaktionstypen herauskristallisiert.


Zunächst wären da die weltwichtigsten Menschen und engsten Vertrauten, die hinter einem stehen, es haben kommen sehen, die Qual der letzten Jahre mitverfolgten, den steinigen Weg begleitet haben und nun immer für einen da sind, kompromisslos und wie ein Fels in der Brandung.


Ohne diese Menschen wären die letzten Wochen weitaus bitterer gewesen, es wären sicherlich noch mehr Tränen geflossen und wer weiß, ob nicht im letzten Moment meinerseits ein fataler Rückzieher gemacht worden wäre.


Dann gibt es die Mitleidenden. Die, die sehr betrübt, traurig, manchmal fassungslos reagieren und die helfen möchten, nicht wissen wie und unsagbares Mitleid haben mit uns Betroffenen.


Diese Menschen meinen es allesamt gut mit uns und schon manches Mal konnte ich sie trösten in der Gewissheit, es ist gut so, wie es gekommen ist.


Die Pragmatiker nehmen zur Kenntnis, haken ab und trauen uns zu, dass wir schon wissen, was wir tun. Es gibt, zu Recht, Wichtigeres in ihrem Leben, die Erde dreht sich weiter und letztlich ist eben nur das, was es ist: Eine Trennung im Guten.


Schwierig sind jene, die zornig sind, zaudern und nicht akzeptieren können, dass wir einen anderen als den erhofften Weg gehen. Diejenigen, die mit aller Macht und großer Hysterie versuchen, uns in ungewollte neue Chancen zu zwängen. Die Schuld zusprechen und Vorwürfe auf uns niederprasseln lassen. Glücklicherweise ist dies eine sehr überschaubare Minderheit, eine, die aber offensichtlich am meisten leidet und sich mit dem Gedanken plagt, was mögen wohl die Leute denken?


Wobei sich mir immer direkt und unmittelbar die Frage aufdrängt, von welchen „Leuten“ da die Rede ist?


„Die Leute“ haben mich noch nie interessiert, wenn es um rein persönliche Lebensentscheidungen geht, insofern lasse ich das Problem bei den zornigen Zauderern.


Am spannendsten zu beobachten aber sind die Enttäuschten.


Sie sind nicht etwa enttäuscht darüber, dass unsere Ehe am Ende ist, wir uns freundlich aber bestimmt trennen, nein, sie hofften auf eine klatschwürdige Schlammschlacht, die bislang und hoffentlich auch in Zukunft ausblieb.


Diese Menschen, jahrelang verschollen und nicht gesehen, kommen nun aus ihren „Löchern“ gekrochen  und warten darauf, die skandalträchtigen und klatschwürdigen Details unserer Trennung genüsslich auszuschlachten.


Und nun gibt es nichts zum Ausschlachten – man stelle sich diese Enttäuschung vor


Meist sind es Menschen, die selber eine unschöne Trennung hinter sich haben und nun voller Freude darauf blicken, dass es anderen ja auch so ergehen mag.


In Ermangelung von Streitigkeiten über die sie nun klatschen und tratschen können, diskutieren  sie unseren Weg in epischer Breite und Länge und stellen sämtliche unserer Entscheidungen infrage.


Auch gerne genommen, die Frage nach dem finanziellen Aspekt so einer Trennung. Auch hier große Enttäuschung, wenn das nicht breitgetreten und ausgeschlachtet werden kann.

 

So eine Trennung ist spannend. Sie offenbart nicht nur tiefe Einblicke in einen selbst und den Ex-Partner, sie zeigt schonungslos und deutlich, wer einem wohlgesonnen ist, wer Verständnis hat, wer liebt und akzeptiert und wer lediglich um sich selber kreist.

 

Manchmal ist es schwierig, sich nicht von seinem eigenen Weg abbringen zu lassen, den zugewiesenen Schuldigkeiten auszuweichen bzw. sie zu ignorieren. Dennoch glaube ich fest an unseren Weg.


Es ist, wie ich neulich im Radio hörte 


[Oh Gott, ich zitiere Andreas Bourani, nicht, dass jemand denkt, dies sei meine bevorzugte Musikrichtung! ;-)]

 

„Mein Herz schlägt schneller als deins,
sie schlagen nicht mehr wie eins
Wir leuchten heller allein,
vielleicht muss es so sein“

 

Und jene, die in dieser unvollständigen Auflistung fehlen, sind die, von denen wir nicht wissen, was sie denken und reden, da sie bevorzugt über uns, aber nicht mit uns reden.


Möglicherweise sind dies genau jene „Leute“, von denen ich zuvor gesprochen habe.


Jene, die vielleicht nicht das befreite Gefühl kennen oder je gespürt haben, das durch den Körper fährt, wenn man sich aus lähmenden Bindungen befreit und von der schmerzenden Passivität in eine konstruktive Aktivität gleitet.


Oder denen die Vorstellungskraft fehlt daran zu glauben, dass man sich einvernehmlich und freundschaftlich trennen kann.


Sie tun mir Leid, diese Menschen. Aber mein Leben ist zu wichtig für mich, um ihnen eine gute Show zu bieten.


Nein, man trennt sich nicht allein, weil zu viele Menschen mitbetroffen sind.

Aber letzlich trennt man sich zumindest "für einen selbst!" Und das ist gut so!

augenBloglich 28.12.2014, 11.09 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Veränderungen

Da hat das Leben einfach kurzzeitig vergessen, mich zu fragen, wie ich das letzte Jahr eigentlich im Sinn gehabt hätte….


Mit 45, so dachte ich gänzlich naiv und fälschlicherweise, würde mein Leben geruhsam, angenehm und gemächlich dahinplätschern. Angekommen dort, wo ich angelangen wollte und nun genießend, was ich mir erarbeitet hatte.


Allein das Leben hatte andere Pläne, nur vergessen, mich vorab einzuweihen.


Als da wäre mein maroder Körper. Hier und da streikte so das ein oder andere Organ, zickte und herum und war darauf bedacht, mehr Aufmerksamkeit von mir zu erlangen.

Ich gehe davon aus, dass die ein oder andere Körperstelle darauf aus war, dass ich nun endlich (mit 45 wird es wohl Zeit), den Sport für mich entdecken würde.

Nachdem das trotz aller Zickerei nicht gelungen ist – ich kann da durchaus sehr stur sein- landete ich bei der Krankengymnastik.


Krankengymnastik ist genaugenommen auch so etwas wie Sport, zumindest fühlt es sich so an. Der Unterschied ist der: Man kann einfach nicht mogeln und so tun als ob. Ständig hat man jemanden an der Seite, der darauf achtet, dass man wirklich tut, was einem gesagt wird. Krankengymnastik ist folglich sehr viel anstrengender als Sport, aber bitte, das hat mir meine Sturheit nun eingebracht.


Die Sache mit dem Hautkrebs war so an und für sich auch nicht wirklich eingeplant gewesen. Mein Gesicht wäre ganz gut ohne ausgekommen, gut, aber auch da hat mich niemand um Rat gefragt, wobei ich sicher das ein oder andere dazu zu sagen gehabt hätte.

Ich verstehe diese Ignoranz mir gegenüber auch gar nicht. Als ob man beim eigenen Körper nicht wenigstens minimal mitzureden hätte.

Ja, sicher, wenn man mich mitreden lässt, kann das in anderseitige Ignoranz ausarten, wie das Beispiel mit den Hörgeräten zeigt. Natürlich höre ich mit den Teilen besser, aber das ist durchaus nicht immer von Vorteil – wie ich schnell bemerkte und begriff. Kurzzeitig waren mir die Teile sogar verloren gegangen, bis ich entdeckte, dass ich einen wunderbaren Platz im Aktenschrank für sie geschaffen hatte.


Und dann wären da noch diese nicht diagnostizierbaren Brustkrämpfe, die mich hin und wieder plagen und mir eine sorgenvolle Nacht im Krankenhaus einbrachten mit dem Verdacht auf einen Herzinfarkt.

Glücklicherweise war es keiner, nur ein weiterer Warnschuss, den ich dann durchaus ernst genommen habe.


45 und mein Körper drangsaliert mich. „Du wirst alt, Kind“, sprach meine Mutter und verwies direkt darauf, dass ich bitte doch auch abzunehmen hätte….

 

Dabei fühle ich mich gar nicht wie 45.

Nicht, dass ich wüsste, wie sich das anfühlen müsste, ich meine, ich war zuvor ja noch nie 45 und übe das jetzt erst seit August, aber mir scheint, dass ich innerlich eher pubertiere.

Überhaupt erscheint mir 45 die zweite Pubertät zu sein. Da sprießen wieder Pickel, es wachsen einen schwarze Haare am Kinn (okay, das ist jetzt eher vielleicht ein Altersproblem und wenig pubertär, aber weiß man, was so eine  45er Pubertät mit sich bringen kann?).


Dann die Sache mit der Liebe. Vergessen wir es einfach. Auch ich habe nun begriffen, dass die Sache mit dem Prinzen eher nur in Filmen zu finden ist.

(Fairerweise muss ich gestehen, dass ich persönlich auch ein klein wenig weit weg bin vom Prinzessinnenideal.)


Kurz auf den Punkt gebracht: 2014 war irgendwie ein krankes Jahr.


Dabei sprachen wir noch nicht von all den beruflichen Baustellen, die das Jahr so neben den privaten Abstürzen mit sich brachte.

Praktisch flog ich nahezu von einem Tief ins nächste und hätte ich nicht besonders liebe Menschen an meiner Seite gehabt, wäre ich möglicherweise nie wieder herausgekommen aus diesen Absturzstellen.

 

2014 hatte aber auch viele fröhliche Momente und Augenblicke voller Lachen und Leben, die all die Tränen vergessen ließen.


Überhaupt Tränen. Hat der Körper das irgendwie so eingerichtet, dass man mit 45 eher heult? Nein, wir reden hier auf keinen Fall über hormonelle Problemchen oder gar sowas wie die Wechseljahre.


Wobei, wenn ich es mir recht überlege, ist Wechseljahre vielleicht genau der passende Begriff für diesen Lebensmoment.

Veränderungen, Lebensformwechsel, neue Wege … mal abgesehen von den Hormonpartys, die da ungefragt in mir gefeiert werden, meint Wechseljahre vielleicht auch nichts anderes, als sein Leben einfach noch einmal radikal zu ändern.


Entgegen allen Ängsten, körperlichen Zickereien, Tränen und Unabwägbarkeiten, den Mut zu haben, sich von Altem und Bewährtem, Vertrautem und Sicherheit gebenden zu trennen, um  Reißaus zu nehmen vor der lähmenden Gewöhnung.

Veränderungen können weh tun, aber auch sehr heilsam sein.


Und nein, ich rede immer noch nicht vom Sport, auch wenn das (theoretisch jetzt) passen würde.


Ich rede einfach davon, das eigene Leben wieder in die Hand zu nehmen und sich auf den Weg zu machen, glücklich zu sein.



2015 kann kommen!

Ich wäre dann so weit…..

 

augenBloglich 25.12.2014, 08.33 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

anstrengend

Ich hege eine nahezu unüberwindliche Aversion gegen das kleine Wort "anstrengend".
Nicht im Allgemeinen, sondern lediglich in Bezug auf meine eigene Person.
Denn, so wird es mir Zeit meines Lebens gespiegelt: Ich bin anstrengend.

Die Vorstellung anstrengend zu sein war schon immer furchtbar und hat auch heute nichts von ihrem Schrecken eingebüßt.
Hätte ich je erfahren, was genau mich für andere anstrengend sein lässt, so hätte ich alles dafür getan, nicht länger anstrengend zu sein, aber ich habe bislang nicht herausfinden können, was genau der Punkt ist, der mich für andere anstrengend werden lässt.

Frage ich nach, erhalte ich keine Antwort oder es wird ein anderes unliebsames Wort in die Runde geworfen: kompliziert.

Ich habe in den all den Jahren - ganz unreflektiert - die Meinungen der anderen Menschen übernommen. Gepredigt von den Eltern, weiterführend von den Lehrern, gerne auch von Menschen aus dem weiten und nahen Umfeld.
Wenn man es oft genug hört, hinterfragt man nicht, sondern glaubt.

Diese Menschen können nicht alle irren, also wird es stimmen, allein, was macht einen Menschen zu einem anstrengenden Menschen und was macht einen Menschen kompliziert?

Dass ich kompliziert bin, steht außer Frage. Die Gedanken in meinem Kopf machen, was sie wollen und insbesondere nachts gehen sie seltsame Pfade und Wege.
Nur: Sie sind in meinem Kopf. Versteckt. Nur für mich sehbar, hörbar, fühlbar.
In der Regel gehe ich damit nicht hausieren, in dem Wissen (oder mit der Vermutung) dann nicht nur als anstrengend und kompliziert, sondern zudem auch noch als verwirrt bezeichnet zu werden.

Ich kenne andere anstrengende Menschen. Menschen, die für mich anstrengend sind, weil sich ihr Denken und Tun, ihr Handeln und Reden stets und ausschließlich um sie selber dreht.
Egal, worüber man redet, diese Menschen okkupieren jedes Gespräch, mischen sich ein, drängen sich auf und wenden das Gespräch in ihre Richtung.
Jedes Thema lässt sich mehr oder weniger gekonnt und geschickt auf das eigene Leben transferieren und diese Menschen haben schon alles erlebt, alles durchlebt, alles gesehen und gehört und sie wissen vor allem immer alles besser.

Der Verdacht, ich könnte genau so ein Mensch sein, ist mir nicht nur unangenehm, sondern lässt mich schaudern.

Anstrengende Menschen gehen anderen auf die Nerven. Niemand verbringt gerne Zeit mit Menschen, die zur Belastung werden, die penetrant in das eigene Leben eindringen und Platz und Zeit beanspruchen, den man nicht bereit ist an diese Menschen abzugeben.

Jeder hat mit seinem eigenen Leben genug zu tun und lädt sich nich noch gerne den Ballast anderer auf seine Schultern.

Ich habe schon früh beschlossen, nicht anstrengend sein zu wollen.
Mit dem Ergebnis, dass ich distanziert wurde, die meisten meiner Gedanken für mich behielt, lernte, Dinge mit mir selbst auszumachen und mir selbst häufig genug war,

Vielleicht ist genau das auch anstrengend für andere Menschen - ich weiß es nicht.

Das Thema treibt mich um, seit mir letzte Woche eine liebe Freundin wieder einmal erklärte, es sei sehr anstrengend mit mir.
Natürlich fragte ich nach, aber es kam keine Begründung, mit der ich hätte arbeiten können.

Anstrengend zu sein vermittelt mir ein furchtbar schlechtes Gefühl. Ein Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit, das Gefühl für andere Ballast zu sein, sie zu nerven, zu stören und Platz und Zeit einzufordern, die mir nicht zusteht und die anderweitig - mit anderen Menschen - besser zugebracht wäre.
Die Tatsache, als anstrengend empfunden zu werden, macht zudem auch unendlich traurig.
Denn natürlich möchte man nichts weniger, als den Menschen, die man liebt und schätzt zur Last zu fallen.

Es führt mich zu einem anderen Lebenspunkt, dem, nie auszureichen und nie gut genug zu sein.
Auch das zieht sich wie ein roter Faden durch mein bisheriges Leben und erst in den letzten Jahren, habe ich begonnen, mich bewusst damit auseinanderzusetzen und gezielt hinzuschauen, wo ich wirklich nicht ausreiche und gut genug bin und an welchen Stellen aber durchaus.

Mit dem Wort "anstrengend" jedoch komme ich nicht weiter und stehe nach wie vor mit ihm auf Kriegsfuß.

Ich könnte nun natürlich einfach glauben, was der Psychotest einer renommierten Frauenzeitschrift über mich sagt:



Sie sind nicht anstrengend. Niemand würde behaupten, dass Sie ihn genervt hätten. Sie drängen sich nicht auf, Sie fallen niemanden ins Wort, Sie bleiben auch in kritischen Situationen gelassen. Aber passen Sie auf, dass Sie mit dieser Haltung überhaupt noch wahrgenommen werden. Denn das Gegenteil von "anstrengend" ist "unauffällig". Und das wollen Sie doch auch nicht sein.



Na also bitte.
Ich wäre auf jeden Fall liebend gerne unauffällig, wenn es dann mit mir weniger anstrengend wäre.

Anstregend zu sein, ohne zu wissen, warum, ist übrigens sehr anstrengend und vor allen Dingen recht ermüdend, weil die Gedanken kreisen und nie zu einem Ende finden.

Letztlich ist und bleibt es eben kompliziert.
Mit dem Anstrengendsein.

Aber ich komme noch dahinter und vielleicht gelingt es mir ja irgendwann mal, einfach nur ein netter, unbeschwerter und liebenswerter Mensch zu sein.
Dafür ist es nie zu spät.
Nehme ich an.
;-)



augenBloglich 08.03.2014, 18.21 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Über das Glücklichsein

Eine ganz besondere Freundin erwähnte neulich, sie habe darüber nachgedacht, welche Menschen aus ihrer Umgebung eigentlich richtig glücklich wären. Sie konnte genau eine Person benennen, von der sie meinte, diese sei glücklich und daraufhin beschloss jene Freundin, sie sei ebenfalls glücklich.


Ich fand diese Aussage aus zwei Gründen sehr bemerkens- und vor allem nachdenkenswert. Zum einen gehörte ich offensichtlich zu dem Personenkreis, der als nicht glücklich, demnach also als unglücklich (?) angesehen wurde und des Weiteren stolperte ich über den simplen Beschluss, glücklich sein zu wollen…


Mich ließ das Thema nicht los, da ich, wenn ich die Wahl hätte, unglaublich gerne ein Mensch wäre, der sein inneres Glück nach außen strahlen könnte. Am Abend selber kamen wir nicht mehr auf dieses Thema zurück, sondern besprachen -bei dem ein oder anderen Glas Wein - andere, nicht weniger wichtige Themen.

Es lag jedoch nahe, darüber nachzudenken, was genau Glück eigentlich ist. So unterschiedlich wie wir Menschen sind, so differenziert werden höchstwahrscheinlich unsere Definitionen von „Glück“ ausfallen. Erfahrungsgemäß kann ich für mich behaupten, dass Glück kein permanenter, allumfassender Dauerzustand ist, sondern sich eher in vielen kleinen Momenten und Augenblicken zu erkennen gibt.

Im Alltagstrubel übersehe ich das Glück nur viel zu schnell, viel zu leicht und leider auch viel zu oft. Ist der Kopf randvoll gefüllt mit Plänen, kleinen oder größeren Sorgen oder Ärgernissen, Terminen und dem ganz alltäglichen Beschäftigungen, fällt es zuweilen schwer, Glück empfinden zu können. Die innere Hetze, die eigene gedankliche Mobilität und das permanente alltägliche Organisieren lässt mitunter wenig Raum für das, was wir allgemein als Glück bezeichnen.
Das bedeutet nicht, dass das Glück nicht vorhanden ist, lediglich, dass es schwer hat, sich durch den Alltag zu kämpfen und sichtbar zu werden.
Dieses dichte und wüste gedankliche Kopfgedränge zerquetschen das Glück hin und wieder. Und dennoch stiehlt es sich, heimlich, still und leise dann und wann an die Oberfläche und zeigt sich in seiner warmen und beseelenden Präsenz. Und es sind jene Momente und Augenblicke, die uns dann wieder durch die nächsten Termine, Alltäglichkeiten, Sorgen und durch die Hektik des Alltags tragen.


Sonderbarerweise – oder vielleicht ist es gar nicht so sonderbar, wie es mir erscheint – sind es nicht immer die großartigen Momente, in denen das Glück sich berieselnd durch den Körper schleicht. Meistens zeigt es sich, wenn ich gar nicht damit rechne. Nicht bei einer außergewöhnlichen Reise oder wenn das Konto prall gefüllt ist.

Nein, ich muss nichts weiter tun, als faul, träge und mit zerzausten Haaren in einem alten T-Shirt im Bett zu liegen, von Büchern umgeben und stundenlang zu lesen….

Ich sah nicht gerade aus, als wollte ich so das Glück empfangen. Um nicht zu sagen, ich war gar ungeduscht und der Wein des Vorabends saß mir noch in den Gesichtsfalten. Von Büchern umgeben, eine Flasche Wasser am Bett stehend, las ich gerade „Eat, pray and love“ aus, als es zu Besuch kam.

Das Glück.

Ich hatte es - unfreundlicherweise – gar nicht eingeladen. Es kam einfach spontan vorbei und zeigte sich in diesem unglaublich warmen und zufriedenem Gefühl, das einen wissen lässt, es ist alles in Deinem Leben gut und Du bist an der Stelle in Deinem Leben, an der Du sein solltest und möchtest.

Der Augenblick war gänzlich frei von Plänen, Gedankenstürmen oder –kämpfen, Sorgen, Ängsten, Unsicherheiten. Ich lag einfach nur entspannt da, hatte nichts weiter zu tun und bekam diesen kleinen, subtilen inneren Tritt, der es einem ermöglicht, das eigene Leben gleichsam von außen zu betrachten, gänzlich entspannt, um zu erkennen, alles ist gut, so wie es ist.

Und die Gedanken an alles, was das Glück in meinem Leben ausmacht, purzelten nacheinander, ordentlich in Reih und Glied, aus meinem Herzen, hinein in meinen Kopf. Dort schlummern sie nun und sind jederzeit abrufbar, wobei das Herz nun Platz gemacht hat für neue, weitere, glückliche Herzmomente.

Und nun liegt es an mir, sie hervorzuholen, diese Momente und in ihnen zu baden, sich mit ihnen zu umgeben und aus ihnen Kraft zu schöpfen.

Natürlich bin ich glücklich.

Solange das Glück sich hin und wieder zu mir schleicht, sich offenbart und mir diesen kleinen, festen Tritt gibt, bin ich ein glücklicher Mensch, der von diesen Momenten zehren kann.

Es kommt jedoch immer nur dann, wenn ich nicht hartnäckig und beständig danach suche. Einmal aufgetaucht versucht es mir deutlich zu machen, dass es mich immer umgibt. In jedem Lachen, in jedem Gedanken, in dem, was ich sehe und dem, was ich tue. Es ist nur mein Blick, der manchmal, viel zu oft, zu getrübt ist, um das Glück zu erkennen. Ich kann nicht beschließen glücklich zu sein.

Ich kann nur versuchen, meinen Blick zu klären und zu schärfen und das Glück zu sehen und zu erkennen. Glück ist niemals Passivität. Es liegt an mir selber, es aktiv in mein Leben einzubeziehen und mich in den düsteren Augenblicken des Lebens just daran zu erinnern…..

augenBloglich 03.03.2014, 11.46 | (4/1) Kommentare (RSS) | TB | PL

Wo sind all die Worte hin?

In einer dieser quälend langen, schlaflosen Nächte der letzten Woche war ich es Leid, den Sorgen und der Traurigkeit immer wieder so eine Mächtigkeit über mich zu geben und so versuchte ich mich abzulenken.
Es ist nicht sonderlich einfach, nachts im Dunkeln, ohne Mitmenschen zu stören, eine Ablenkung zu finden.
Aufstehen schied definitiv aus - niemals würde ich freiwillig die nächtliche Bettwärme verlassen -  so musste es etwas Gedankliches sein.
Also versuchte ich mich an alle Gedichte zu erinnern, die ich je in meinem Leben auswendig lernen musste oder wollte.

Ich liebe Lyrik. Ich kann stundenlang in einem Gedichtband lesen und darüber sinnieren, was mit diesem oder jenem gemeint sein könnte.
Noch eher finde ich mich in vielen Werken anderer Menschen wieder.

Ich habe wenig Erinnerung an meine Grundschulgedichte. Ich entsann mich also in dieser Nacht an: "Dunkel war´s der Mond schien helle...."
Gerade mal die ersten zwei Strophen hatte ich noch parat.

Da fiel mir das Gedicht "Gefunden" von Goethe ein. Es muss in der sechsten oder siebten Klasse gewesen sein - ich war wie immer (es war mir längst zur Routine geworden) allen Lehrern massiv auf die Nerven gefallen - als ich dieses Gedicht zur Strafe zu Hause auswendig lernen musste.

Ich bekam es in dieser Nacht noch vollständig zusammen, dabei hatte es mich seinerzeit inhaltlich nicht gerade überzeugen können.....

Einmal bei Goethe angekommen, lag es nahe, sich am "Erlkönig" zu versuchen. Auch das damaliges Schulpensum. Ich erinnere mich, dass wir so ein dünnes, grünes Heft hatten mit vielen wichtigen Balladen und diese vielen wichtigen Balladen mussten wir nahezu fast alle auswendig lernen.
Den "Erlkönig" fand ich damals faszinierend, weil er so schaurig schön traurig war.

Es beruhigte mich, dass ich bis auf ein paar Stolpereien auch dieses Gedicht noch in mir trug.
Nun war es ein Katzensprung zum "Zauberlehrling". Spätestens seit Achim Reichel eines meiner Lieblingswerke.
Leider kam ich nicht über das zweite "Walle, walle.." hinaus, was mich wirklich ärgerte.
Ich mühte mich ab, ich versuchte wirklich, mich an die Verse zu erinnern, aber auch, wenn ich den Inhalt wiedergeben konnte, das Gedicht an sich fand sich nicht mehr vollständig in meinem Gedächtnis.
Dabei hatte ich es einst flüssig und mitfiebernd rezitieren können.

Von Goethe zog es mich zu Kästner und seine "Sachliche Romanze" bekam ich mit nur wenigen Stolperreien noch hin.
Dabei war das kein Schulstoff, sondern ein Gedicht, das mir in die Hände fiel, als ich mich kurz nach der standesamtlichen Hochzeit, kurz vor der kirchlichen Trauung von meinem ersten Mann trennte.

Vielleicht stecken die Worte aus diesem Grunde noch in mir. Leider fehlten mir dann aber bei der "Sache mit den Klößen" wieder ganz viele Worte....
Dabei habe ich das Gedicht geliebt. Im fünften Schuljahr? Oder war es in der sechsten Klasse? Es stand im Deutschbuch und wir haben es irgendwie  vorgeführt. Ich entsinne mich nur sehr dunkel.
Nachts zumindest kam ich nur bis zu den "drei Meter zehn".
Frustrierend.

Schillers Glocke war gar gänzlich weg. Sozusagen ausgelöscht in meinem Gedächtnis.
Wie überhaupt alles, was ich je von Schiller las oder gelernt hatte.

Friedrich Rückerts "Barbarossa" bekam ich sozusagen auch gar nicht mehr zusammen, sieht man mal von der ersten Zeile ab.

Dafür fielen mir Hesses "Stufen" dann schon wieder leichter. Kein Wunder, das Gedicht begleitet mich nun seit so vielen Jahren und immer wieder finde ich mich und mein Leben darin wieder.

Dann kam mir mit einem Male "Das Grab im Busento" in den Sinn und fälschlicherweise dachte ich, es wäre von Clemens Brentano. So kann man sich irren, wie ich am nächsten Tag durch Nachschlagen in diesem wunderbaren Buch feststellte.
August Graf von Platen hat es geschrieben - nie gehört - ehrlich, oder arg verdrängt.
"Nächtlich am Busento lispeln" hatte ich mir gemerkt und nun fragt man sich doch:
"Warum um Himmelswillen?"

Wie entscheidet das Gedächtnis, was es behält und was verloren geht?
Und wo sind all die auswendig gelernten Worte denn nur hin?

Wieso kann ich die Anfänge vieler Gedichte und der Rest ist verschwunden?
Oder ist der Rest gar nicht verschwunden, nur versteckt hinter anderem gedanklichem Ramsch?

Um ehrlich zu sein, kam ich noch nie in die Lage ad hoc ein Gedicht rezitieren zu müssen, aber allein der Gedanke, es jederzeit zu können ist durchaus reizvoll, wenn es auch keinen echten Lebensnutzen mit sich bringt.

Die Nacht verging und mein Plan war aufgegangen. Es blieb zwischen all den Gedichten kein Platz mehr für die Traurigkeit und die Sorgen.
Und seitdem die Sorgen wissen, dass sie keine Chance mehr haben, sind sie glücklicherweise fern geblieben - zumindest in der Nacht.

Dafür liegen nun einige Gedichtbände parat. Für schlaflose Nächte.
Und den Zauberlehrling habe ich bald wieder parat.
Das habe ich mir in jener Nacht versprochen!


augenBloglich 24.02.2013, 17.01 | (3/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Veränderung

augenBloglich 04.10.2012, 16.50 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Unzufriedene Menschen

In letzter Zeit - besser gesagt in den vergangenen Monaten - traf ich vermehrt auf Menschen, die mit sich und ihrem Leben unzufrieden waren und sind.
Und all jenen Menschen war zu eigen, dass ihr stetes Denken und Handeln nur um die eigene Person kreiste.
Ich habe das zuvor noch nie in einem solchen Ausmaß erlebt.
Jedes Wort, jede Geste, jede Mimik und jedes Handeln eines anderen Menschen beziehen diese Menschen auf sich, ihre Person und ihre Handeln.

Es sind Gesprächskaperer, denen es gelingt, Gespräche jedweder Art zu kapern und zu ihrem Gespräch zu machen.

Ganz deutlich steht mir eine Situation vor Augen, in dem es einem lieben Menschen deutlich schlecht ging und dieser Mensch einfach mal ein offenes Ohr, einen Seelenstreichler, ein wenig Trost brauchte.
In größerer Runde versuchte dieser Mensch von seinen Sorgen zu berichten und kaum hatte er angefangen, sich seinen Frsut von der Seele zu reden, fiel ihm der Gesprächskaperer ins Wort und wusste von seinen eigenen, ähnlichen, aber natürlich weitaus wichtigeren Problemen zu berichten.

Gesprächskaperer haben immer grundsätzlich alles so oder ähnlich schon einmal erlebt und durchgemacht.
Und wenn nicht persönlich, so kann man doch sicher sein, dass ein ihnen nahestehender Mensch ähnliches oder gleichsames erlebt, durchlitten oder gemeistert hat.

Gesprächskaperer sind stets darauf aus, gelobt, hofiert und in ihrer Einzigartigkeit erkannt zu werden.
Sie merken nicht, wie sie ein Klima vergiften können, da sie ausschließlich um sich selber kreisen und kein Auge für die sie umgebenden Menschen haben.

Gesprächskaperer sind häufig ganz furchtbar unzufriendene Menschen, mit sich, ihrem Leben, ihren Lieben nicht im Reinen, unglücklich und voller Selbstzweifel.

Und sie sind furchtbar anstrengend, zeit- und nervraubend.

Die Grundsätzlichkeit des Negativen spricht aus jedem Wort. Alles ist schlecht und sie tragen das Leid der ganzen Welt auf ihren Schultern.

Ich finde es schwierig, mit solchen Menschen umzugehen.
Sie rauben mir Kräfte und Energie, die ich anderweitig besser und sinnvoller einsetzen könnte.
Andererseits fühle ich meist diese Verpflichtung, mich diesen Menschen anzunehmen, weil sie mir unsagbar Leidd tun, in ihrem egomanischen Elend.

Und es stellt sich immer auch die Frage: Wie wird man zu so einem Menschen?

augenBloglich 03.07.2011, 10.43 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Mütter

Wenn etwas spannend zu beobachten ist, dann sind es Mütter.
Es fasziniert mich immer wieder, wie kämpferisch sich Mütter ins Spielplatzgetümmel werfen können, aus Sorge, dem eigenen Nachwuchs könnten böse Ungerechtigkeiten widerfahren.
Bislang focht ich diese, meine mütterlichen Kämpfe ja lediglich innerlich aus und ergötzte mich nur am Anblick zeternder, keifender Mütter, die sich noch stritten, während der Nachwuchs schon vergessen hatte worum es eigentlich ging und wieder friedlich miteinander spielte.

Unsere Mädel müssen diese Schlachten stets alleine schlagen, da ich Rabenmutter ja den Standpunkt vertrete, dass sie genau dies lernen müssen.

Neulich aber, ich muss es gestehen, hätte ich meine guten Vorsätze fast - aber eben nur fast - gerne vergessen.

Es war in einem Indoor-Spielplatz, der u.a. fünf große und äußerst begehrte Trampolin Flächen für das kindliche Vergnügen anbot.
Da aus Sicherheitsgründen immer nur ein Kind auf einem Trampolin springen durfte, wies eine junge Frau, dort beschäftigt, die Kinder ein.
Jedes Kind durfte zehn Minuten springen, dann wurde gewechselt.

Lena und Sophia standen nun also schon eine ziemliche Weile geduldig in der Schlange und sollten beim nächsten Wechsel an die Reihe kommen.
Während Sophia schon auf einem Trampolin herum hoppste, stand Lena nur verlegen vor einem Trampolin, auf dem ein Mädchen sprang, das nicht zu wechseln bereit war.

Lena bat das Mädchen zu gehen, es sei Wechselzeit und auch die Angestellte des Spielplatzes bat um den Wechsel.
Das Kind ignorierte sowohl Lena als auch die junge Frau, strahlte seine Mutter an, die seitlich dabei stand und Lena wegschickte, der jungen Angestellten eröffnete:

"Meine Tochter springt noch nicht lange genug!"

Nun, ihre Tochter sprang, wie die anderen Kinder eben auch, genau zehn Minuten, aber, so meinte diese Mutter:
"Das entscheide immer noch ich, wielange mein Kind hier springt!"

Lena stellte sich brav, aber sichtlich gefrustet wieder in die Reihe, die junge Angestellte traute sich nicht mehr etwas zu sagen, das Mädchen hoppste glücklich weiter.

Und ich, ich saß auf heißen Kohlen. Natürlich riss mich eine Woge mütterlichen Kampfgeistes hinweg, aber ich dachte an die keifenden, streitenden Mütter, die ich schon genüsslich amüsiert beobachtet hatte und blieb sitzen.

Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass meine Kinder auf Kinder treffen für die anscheinend andere Regeln gelten, weil die Mutter oder der Vater ihnen individuelle Regeln erschaffen.

Ich mache mir wenig Sorgen, wer letztlich im Leben den Kürzen ziehen wird.

augenBloglich 10.07.2007, 07.14 | (4/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Wahrnehmungsdifferenzen

Jetzt, wo ich wieder sehr viel beleibter durch die Gegend laufe, bin ich naturgemäß sehr empfindlich diesbezüglich. Ganz nach dem Motto, jeder kann zwar sehen, wie dick ich bin, aber er möge sich bitte hüten, sich dazu zu äußern.

Meine Kinder legen diesbezüglich da eher eine gewisse Gelassenheit an den Tag.
Wir haben da zum Beispiel einen Bekannten, der meiner Wahrnehmung nach mindestens doppelt so dick ist wie ich.

Um so mehr irritiere mich heute früh die Unterhaltung meiner Töchter:

"Ich haben einen geangelt!" schrie Lena (die an einem imaginären See saß und noch imganinärer angelte).

"Einen dicken Öschimann?" wollte Sophia wissen.

"Ja, ganz dick!" antwortete Lena.

"Wie dick?" wollte Sophia eine genauere Auskunft "So dick wie Herr M. [besagter Bekannter]?"

"Viel dicker!"

"Wie dick denn dann? So dick wie Mama?"

"Ja, wie Mama!"

Mir scheint, ich muss da ein wenig an meiner Wahrnehmung, besser noch an meinem Gewicht arbeiten.

augenBloglich 09.07.2007, 14.16 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Bildungszwang

Ich würde mich nicht als Opernliebhaberin bezeichnen, dafür fehlt mir das Wissen, aber ich mag Opern.
Ich muss so um die 24 gewesen sein, als ich das erste Mal eine Opernaufführung besuchte und es hat mich beeindruckt.
Nicht geprägt, nicht beeinflusst, aber nachhaltig durchtönt.

So kam es also, dass ich Karten für die Kinderoper erstand.
Mozart sollte hier aufgeführt werden - eine Reise aus 1001 Nacht - die Entführung aus dem Serail.

Ich erinnerte mich kurzzeitig an das ganz furchtbare Buch: Weltwissen der Siebenjährigen (oder so ähnlich), in dem die Autorin beschrieb, wie wichtig es sei, dass ein Kind von sieben Jahren bereits eine Oper kennen lernen konnte.
Dies und Pisa - man will sich ja nicht nachsagen lassen, die eigenen Kinder im Unbildungssumpf verrecken zu lassen - bewogen mich also diese Karten zu kaufen.

Ich persönlich war auch mit 24 noch ganz zufrieden, erstmalig Kontakt mit der Oper gehabt zu haben.
Ich würde auch niemals so weit gehen und behaupten, ich hätte mich vorher ungeliebt, ungebildet oder sonstwas gefühlt, aber, wir leben in anderen Zeiten und bilden die Kinder wo und wie es nur geht.

Der Opernsonntag kam und die Sonne schien.
Bei 33 Grad quetschte ich meine Töchter ins heiße Auto und versprach ihnen - leichtsinnigerweise - großes Vergnügen.
Sophia wollte lieber ins Planschbecken, Lena in den Garten, aber wie gesagt, Pisa steckt auch mir in den Knochen, die Oper rief.

Da hatten sich nun alle bildungshungrigen Eltern mit ihrem bildungsbezwängtem Nachwuchs versammelt.
Die Kinder sahen lustlos aus, die Eltern eher gequält.

Als die ersten Schauspieler die Bühne betraten bekam Sophia Angst und hüpfte mir auf den Schoß.
Die Oper begann.

Nach ca. 45 Minuten hörte ich den Jungen neben mir fragen:
"Wann singen die denn endlich mal deutsch?" und hörte den Vater antworten:
"Weiß ich doch nicht. Datt is ne Oppa!"

Nun, die Darsteller sangen bereits Deutsch, aber darauf hinzuweisen war mir jetzt auch zu kluggeschwätzt, also behielt ich mein Wissen für mich.
Sophia langweilte sich furchbar. Lena amüsierte sich mit einer Packung ungesunder Mentos und kam so ganz gut über die Runden.
Ich persönlich hätte die Oper jetzt auch nicht sooo dringend gebraucht, aber man kann ja den Horizont der eigenen Kinder nicht oft genug, früh genug, sinnloser genug erweitern.

Kurzzeitig machte die Sache Sophia dann doch Spaß, als die Kinder mitmachen und einen Bauchtanz erlernen durften.
Sie verfiel anschließend schnell wieder in schwitzende Lethargie und ich konnte das sehr gut nachvollziehen.

"Mama, warum muss ich hier sitzen und darf nicht schwimmen?" wollte mein Kind kläglich jammernd von mir wissen und ich konnte ihr keine wirklich gute Antwort geben.

Vielleicht hätte ich ihr erklären sollen, dass ich kurzzeitig die hirnrissige Idee hatte, Opernbildung sei wichtiger als Matschen im Garten.
Oder ich hätte anführen können, dass Pisa nun auch in meinem Kopf angelangt ist, ich mich den Bildungszwängen unserer Zeit gebeugt habe.

"Ich dachte, es würde uns Spaß machen hier zu sein!" war meine lahme, fadenscheinige und an den Haaren herbei gezogene Entschuldigung.

So kann man sich täuschen.
Ich habe meinen Töchtern einen unbeschwerten Gartennachmittag gestohlen.
Ich habe sie beraubt und ihnen Bildung übergeworfen wie ein ungeliebtes Kleidungsstück.

Habe mich anstecken lassen von dieser Massenhysterie, dem Glauben daran den Kindern mit der Besuch der Oper quasi das Abi in die Tasche gesteckt zu haben.

Beschämt bin ich anschließend mit meinen Töchtern nach Hause gefahren.
Kinderoper!
Gewissenberuhigung für Eltern und Erwachsene.

Den Sommer genießen wir draußen.
Ohne Opern, ohne Wletliteratur.
Ohne Lernspiele, ohne Wissenrekorde.

Ich lasse meine Töchter Kind sein.
In die Oper können sie immer noch.
Wer weiß wie lange sie noch matschen mögen.......




augenBloglich 20.06.2007, 18.45 | (3/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

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Marie
Toll, dass Du wieder bloggst!
Ich wünsche Dir ein frohes neues Jahr und hoffe, ich lese Dich nun wieder regelmäßig!
2.1.2015-4:56
Hanna
Nochmal herzlichen Dank für die Hilfe und du hast einen sehr tollen Blog ! (:
26.11.2011-16:21
Gartenfee
Hi, bist du gar nicht mehr hier am Werk??? Das wäre aber schaade.
25.2.2011-23:00
patricia
wie heißt deine lehrerin!!!!!!!!
1.3.2008-16:20
NIcole
Hey, ich find das super das Du Dich durchgesetzt hast bei den anderen Müttern. Ist doch egal was die sagen. Bin stolz auf Dich. lieben Gruß
NIcki
30.3.2007-9:25