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Blogeinträge (themensortiert)

Thema: Gedanken

Muttersein ist anders

Bevor ich Mutter geworden bin, war ich eine perfekte und mit festen Grundsätzen behaftete Theoretikermutter. Ich gehörte zu jenen Frauen, die anderen Müttern kritisch zusahen und alles besser wussten, alles anders, alles besser, alles pädagogisch sinnvoller machen würden.
Natürlich würden meine eigenen Kinder später niemals so etwas Hirnloses wie Teletubbies schauen dürfen - dachte ich damals naiv - noch nicht wissend, wie kostbar die 20 Minuten sonntägliche Vormittagsruhe einst für mich sein würden.

Ich hatte auch konkrete Vorstellungen über das Schnullern und Nichtschnullern, das Erziehen überhaupt und das Muttersein in Gänze.

Ich irrte total.
Aber sowas von total.

Muttersein ist anders.
Und Muttersein ist schwierig..

Es fing damit an, dass mit einem Male ein kleines Wesen über mich und meinen Körper bestimmte. Gleichzeitig musste ich beginnen, für zwei Wesen zu denken.
Ich fühlte mich schlagmals fremdbestimmt. Mein Kind hatte Hunger und mein Körper musste zur Stelle sein. Unabhängig davon, ob ich müde war, lustlos, verschlafen, sauer, in Eile oder sonstwas.

Ich musste lernen, meine eigenen Bedürfnisse unterzuordnen. Ich spielte mit einem Male nicht mehr die erste Geige.
Die Gedanken darüber jedoch versetzen mich stets und sofort in eine schuldige Rolle. Mütter hatten doch nicht so zu fühlen, haben nicht so zu denken. Mütter lassen sich gerne fremdbestimmen, Mütter stellen das Wohl ihres Kindes immer über das eigene.
Gute Mütter.

Natürlich wollte und will ich eine gute Mutter sein, aber Muttersein ist irgendwie anders.
Also erfuhr ich, dass ich keineswegs eine perfekte Mutter bin. Dass ich meine Töchter zwar über alles liebe, aber dass ich dennoch nach wie vor Probleme mit dem Gefühl des Fremdbestimmtseins habe.
Dass ich nach wie vor dazu neige, meine eigenen Bedürfnisse gerne mal in den Vordergrund zu rücken. Dass ich nicht so geduldig bin, wie ich es mir gewünscht habe, dass ich vieles vor dem Muttersein gedanklich anders gemacht habe, als ich es, nachdem ich Mutter geworden war, in der Tat dann umsetzte.

Muttersein lässt mich jeden Tag an neue Grenzen stoßen. Ich lerne jeden Tag dazu, lerne aus meinen Fehlern, lerne durch meine Kinder.

Ich bin nicht die perfekte Mutter, die ich gerne gewesen wäre. Aber: Ich habe irgendwie auch nicht die "perfekten" Kinder, die mir in meiner rosa Theoretikerwolke einst vorschwebten.
Funktionierende kleine Wesen, die immer genau das tun, was die Eltern ihnen sagen.

Muttersein ist anders und ich bin froh darüber.
Nichts ist schlimmer als Perfektionismus. Nichts ist unmenschlicher als funktionierende Menschen.
Ich liebe meine Kinder - sie sind perfekt: für mich!

Und wer weiß, vielleicht bin ich ja genau die unperfekte Mutter, die meine Kinder brauchen?

augenBloglich 28.08.2005, 07.01 | (4/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Blätterst du noch oder lebst du schon wieder?

Natürlich habe ich ihn bekommen. Natürlich? Nein, es erscheint nicht natürlich, denn, ich will ihn gar nicht und ich brauche ihn auch gar nicht. Dennoch steckte er vor zwei Tagen (oder so) ungefragt in unserem Briefkasten.

Wovon ich spreche?
Na, von DEM Katalog, der bei anderen Menschen hysterische Freude auslöst.
Ehrlich, ich habe ihn durchgeblättert und ich weiß nicht warum.....?
(Also das mit der hysterischen Freude jetzt!)

Ikea war noch nie mein Ding, ist es auch jetzt nicht und ich vermute mal, es wird auch nie mein Ding werden.

Zu Studienzeiten gehörte ich bereits nicht zum Ikea Adel, der sich mit unmerkbaren Namen wie Tölströ und Aspelund und wie sie nicht alle heißen die Gespräche vetrieb, abends zusammen hockte um nicht passbare Schrauben in nicht passbare fehlende Löcher zu fummeln.

Mir geht so ein bisschen die Stimmung dafür ab, sich über einen popeligen Möbelkatalog zu freuen.
Aber macht ja nichts. Ich bin ja froh, wenn andere Menschen sich freuen, egal worüber, naja, fast egal, aber Ikea erscheint mir da vergleichsweise harmlos.

Einmal habe ich es - wider meiner Vernunft - gewagt in so ein Höllenteil von Laden zu gehen.
Super. Echt super. Um Büromöbel anzuschauen musste man erst durch sämtliche anderen Abteilungen pilgern. Gequetscht von Menschenmassen. [Welch ein Alptraum dort zum Klo zu müssen!]

Ist man endlich bei den Büromöbeln mit den albernen Namen, stellt man fest, dass dort nichts steht, was man anderswo nicht auch bekäme. Man stellt weiterhin fest, dass Ikea wahrlich nicht billig ist und natürlich stellt man fest, dass tausend andere Menschen zur selben Zeit ihre individuellen Ikeafeststellungen treffen und es eng ist, verdammt eng.
Möbel? Manchmal bekommt man die gar nicht zu Gesicht.
Dafür hat man aber schnell mal übel riechende oder gar Winde sausen lassende Mitmenschen neben, vor, hinter oder gar über sich und fragt sich, wie man dieser Menschenlawine je wieder entkommen wird?

Ganz fatal dann, wenn man GAR NICHTS kauft. Anstellen muss man sich an der Kasse nämlich sowieso. Die Garnichtkäufer sind bei Ikea nicht vorgesehen - wahrscheinlich bilden sie eine zu geringe Anzahl. Die Garnichtkäufer stehen in der Schlange mit den Käufern, nur, um dann zu denken: "Wenn ich sowieso anstehen muss, kann ich auch was kaufen!"

Prima auch dieses Kellerdunkel. Dieses fiese Neonlicht, das jeden Anwesenden aggressiv zu machen scheint - wenn die Menschenmassen das nicht zuvor schon erledigt haben.
Und dann diese unverszändlichen, aber mit Piepstimme geschrieenen Lautsprecherdurchsagen.
Wenn man nicht schon vorher dull war, wird man es dort, ganz sicher.

Nö, Ikea ist nichts für mich.
Macht ja nichts.
Wir haben hier eine große Altpapierkiste.



augenBloglich 25.08.2005, 13.30 | (4/2) Kommentare (RSS) | TB | PL

Spurensuche

Obwohl das Gedankenland seit Jahren brach und sträflich missachtet da liegt, erreichen mich immer noch zahlreiche mails von anderen Adoptierten, die mir Fragen zu meiner Einstellung stellen, einen Austausch suchen oder mich dazu bringen möchten, mich auf Spurensuche zu begeben.

Für mich war immer klar, ich werde erst dann eine Spurensuche beginnen, wenn ich den inneren Wunsch danach verspüre.
Dieser Wunsch hat sich bei mir bislang in keinster Weise geregt und so wäre eigentlich alles klar, wenn nicht, ja, wenn nicht da die Gedanken daran wären, ob meine "wahren" Eltern nicht vielleicht hin und wieder darüber nachdenken, was wohl aus mir geworden sein könnte.

Manchmal frage ich mich einfach, ob sich meine leiblichen Eltern wohl wünschten, ich nähme Kontakt zu ihnen auf. Sie können dies schwerlich tun. Allein ich kann diesen Weg beschreiten.

Je älter ich werde, um so mehr sinken die Chancen, meine leiblichen Eltern lebend kennen zu lernen. Natürlich denke ich darüber nach.
Immerhin vergebe ich da eine unwiderbringliche Chance.

Andererseits bin ich so glücklich und zufrieden wie es ist. Ich habe wunderbare Eltern, die, wie die meisten anderen wunderbaren Eltern auch, mich hin und wieder zwar zur Weißglut treiben können, mir aber unersetzlich sind.
Eltern, die ich liebe und schätze und die mir sehr viel wert sind.

Ich habe wenig Lust, Fremden gegenüber zu stehen, nur um zu schauen, woher mein Erbgut kommt.
Ich bin diesen Menschen dankbar. Dankbar dafür, dass sie mich haben leben lassen. Dankbar dafür, dass sie das Beste für mich und nicht für sich gewollt zu haben scheinen.
Aber dennoch verspüre ich nicht den winzigst kleinen Wunsch, mich auf die Suche zu begeben.

Darum werde ich es lassen. Mag sein, ich bereue dies irgendwann. Aber ich möchte nicht heute etwas ungern tun, nur damit ich morgen - eventuell - nicht trauern muss es unterlassen zu haben.

Und eine unehrliche Suche wäre sinnlos.

Ich habe meine Wurzeln hier. Und das ist gut so.

augenBloglich 13.08.2005, 20.01 | (1/1) Kommentare (RSS) | TB | PL

prollig

Nachdem ich ja nun - gänzlich unreflektiert und spontan - meiner Meinung Ausdruck gab, was diesen erwähnten Merkel-Rap betrifft, mache ich mir nun also meine Gedanken über das Prolltum an sich, dieses unsägliche Wort und meine ganz persönliche Interpretation.

Natürlich weiß ich immer und grundsätzlich, was ich persönlich als "prollig" empfinde. Das Problem mit derartigen Begrifflichkeiten ist dies, dass jeder etwas anderes damit meinen kann.
Ich nehme an, die Prolltoleranzgrenze ist da bei jedem Menschen auch sehr individuell zugeschnitten.

Was besagte Liedtexte betrifft, so gerät recht schnell in meinen Prollbegriff, all das, was mit Beleidigungen und Fäkalsprache einhergeht.

Nun bin ich ja, wie ich auch auf verlinkter Seite lesen konnte, nicht mehr wirklich jung. Als jung, so lese ich dort, gelten (anscheinend) die 20 bis 30 jährigen. Aber das ist im Grunde auch richtig so, irgendwo muss man schließlich mal klare Grenzen ziehen.
Da ich ja nun also nicht mehr jung bin, fehlt mir vielleicht einfach das Gefühl für den RAP an sich.
Vielleicht geht dieser ja immer mit einer - na, nennen wir sie mal - Umgangssprache daher. Vielleicht muss das so sein? Vielleicht bin ich bloß unwissend oder gar ignorant?

Bleibt die Tatsache der Beleidung. Etwas, was für mich "flach" und "prollig" und vor allem auch niveaulos ist.
Aber, und das sei hier explizit festgehalten, dies ist nur meine ganz persönliche Meinung, keine allgemein gültige Weltanschauung.

Ich mag Frau Merkel nicht. Keine Frage. Aber bitte was geht mich schon groß ihr Äußeres an? [Sitze ich nicht eh im Glashaus oder wie war das?]
Kritik an der Sache kann ich nachvollziehen. Kritik an ihren Äußerungen und ihren Taten. SACHLICHE Kritik. Alles andere, nö, damit kann ich mich nicht identifizieren und muss es gottlob auch nicht.

Übrigens gilt das in sämtliche Richtungen.

Und Textzeilen wie:

"Viele schalten bei ihrem Namen auf Protest weil sie denken, die hängt den ganzen Tag in Ärschen von US-Präsidenten..."

halte ich für irgendwie so gänzlich daneben.
Aber wie gesagt, ich bin ja auch nicht die Zielgruppe und über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.

In diesem Sinne:
Ich finde es klasse, wenn Menschen ihre Talente für ihre Überzeugungen einsetzen.
Manchmal überzeugen sie mich damit, reißen mich mit, argumentieren mich k.o.

Manchmal eben auch nicht.

augenBloglich 11.08.2005, 20.09 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Aufschiebegen

Okay, ich kann mit meinem schiefen Schneidezahn leben und auch mit meiner dicken Nase. Ich habe selbst Verständnis dafür, dass dort, wo andere Menschen einen Po haben bei mir lediglich die Verlängerung der Oberschenkel angesiedelt ist. Auch mit meiner nichtssagenden Augenfarbe komme ich durchaus zurecht. Gut, die Haare, von denen reden wir jetzt ja gar nicht erst.
Das, was ich leider aber im Überschuss abbekommen habe - als es, wann auch immer, wo auch immer - an die Verteilung von irgendwelchen Genen ging ist das Aufschieb-Gen.

Das - der Kommunikation mit mir mächtigen - besagte Gen neigt dazu, sich immer dann in den Vordergrund zu drängeln, wenn ich - als wirklich sehr vernünftig denkender Mensch - etwas ungemein Wichtiges vorzuhaben gedenke.

Harmlos tritt es dann in Erscheinung, wenn ich mir zum Beispiel vornehme die seit Monaten sträflich missachteten Fenster zu putzen.

"Hey, wart mal eben. Das muss doch wohl nicht HEUTE sein. Setz dich hin, mensch, entspann dich.", raunt es mir ins Ohr und sein schmusig weicher Tonfall lässt mich wie in Trance widerspruchslos gehorchen.

Oder zum Beispiel wichtige, im Grunde unaufschiebbare Korrespondenz muss erledigt werden: "Gott, Suse, nur keine Panik. Heute ist Freitag. Der Brief kommt eh erst Montag an, dann kannst du ihn auch gleich erst am Sonntag schreiben und einwerfen, das kommt auf dasselbe heraus!"
Ein durchaus logischer und schnell nachvollziehbarer Gedanke, oder?

Manchmal suggeriert mir dieses Gen auch: "Sport? Du willst heute noch zum Sport? Mach dich nicht lächerlich. Morgen ist auch noch ein Tag. Für heute Abend waren doch die Gummibärchen und Haselnuss Kugeln vorgesehen, oder?"
Ich meine, wer macht sich schon gerne lächerlich?

Und Widerspruch, Widerspruch einzulegen das ist so eine Sache. Neulich, als mir danach war, Garderobenschilder für das neue Schuljahr anzufertigen und auszudrucken, da wurde mir tuschelnd mitgeteilt:
"Die Ferien sind noch lange nicht zuende. Keep cool. Du kannst die Teile heute eh nicht ausdrucken, du hast nämlich keine Farbpatrone mehr im Drucker!"

Mein durchaus geweckter Widerspruchsgeist gab zu bedenken:
"Hallo Kollege. Die Farbpatrone steckt nur nicht im Drucker, weil du gestern, als ich sie kaufen wollte, der Meinung warst ich solle besser warten bis sie im Angebot sei!"

"Da siehst du es!" blafft mich das aufsässige Gen an "Ohne mich schaffst du es nichtmal dein Geld zusammenzuhalten!"


augenBloglich 09.08.2005, 20.06 | (2/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

Zusammenleben

Ich stelle es mir nicht gerade einfach vor mit einem Menschen zusammenzuleben, der gerne für sich ist. Nicht im Sinne von Einsamkeit, aber im Sinne von Alleinsein. Ein Mensch, der gerne vieles mit sich selbst ausmacht. Der Ruhe um sich herum genießt, der Wohnungen mag, die er allein gestalten und bestücken kann.
Der sich Ruheoasen schafft, in die er ungern andere Menschen lässt und wenn dann nur zu seinen eigenen Bedingungen und zu einem von ihm gewählten Zeitpunkt.

Ich stelle es mir mühsam vor mit einem Menschen zusammenzuleben, deren kompliziertes Denken raumfüllend ist. Einem Menschen, der es liebt sich mitzuteilen, es aber ebenso sehr schätzt, zu schweigen.

Es muss durchaus anstrengend sein, mit einem Menschen zusammenzuleben, der im Grunde seines Herzens vielleicht nicht für das Zusammenleben geschaffen zu sein meint.

Einem Menschen, dessen Gedankenfülle, Gedankendrang und Chaotismus besitzergreifend und erschlagend wirken müssen.

Es kann einfach nicht leicht sein mit so einem Menschen zusammenzuleben.
Einem Menschen wie mich.


augenBloglich 09.08.2005, 19.31 | (5/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

mein politisches ich

Mein politisches ich wurde auf recht unschöne Weise an einem Schulvormittag wach gerüttelt. Gelangweilt saß ich in einer Geschichtsstunde. Vielleicht war ich so um die 13, 14 Jahre alt. Achte Klasse. Ich träumte. Selbstverständlich träumte ich, mich interessierte nicht wirklich, was da in der Schule geschah.

"Susanne, sag uns bitte wofür EU steht!", hörte ich mit einem Male die harsche Stimme meines eigentlich ganz netten Geschichtslehrers. Der Moment, in dem alle Augen sich auf einen richten. Du spürst förmlich, dass die Hälfte der Klasse eine peinliche Antwort erwartet, nur um laut loslachen zu dürfen. Meine Güte, EU. Woher zum Teufel sollte ich das wissen? Ich war gerade meinen Barbiepuppen entwachsen, mein erster Freund hatte sich umgebracht, also bitte, ich hatte wirklich andere Sorgen als mich darum zu kümmern, welche hirnrissigen Abkürzungen sich Politiker einfallen ließen.

EU.

Ich weiß noch genau wie ich da saß und mich dafür schämte nicht sofort mit der Antwort heraus sprudeln zu können. EU. Mein Hirn marterte sich. Die Blicke brachten mich ins Schwitzen.

"Susanne, komm, du wirst doch wissen, was EU bedeutet!"

EU. Wozu sollte ich so etwas wissen, wenn ich damit beschäftigt war "Don't answer me" zu übersetzen?

Mir rann die Zeit davon. Ich schämte mich. Ein Erdloch und ich wäre darin verschwunden.

EU.

Mir blieb eine Frist von maximal zwei Sekunden. Der Lehrer hatte nicht die geringste Lust länger zu warten. Die Schüler kicherten schon jetzt blöde.

EU.

"Europäische Union!", platzte ich mit einem Male heraus. Nein, es hatte mir niemand vorgesagt. Nein, ich habe es auch nicht wirklich gewusst. Und ja, es war mir immer noch sowas von egal.

Keine Ahnung, was in der Stunde eigentlich besprochen wurde. Keine Ahnung, wie die Stunde weiter ging.
Aber dieser peinliche Augenblick. Dieses lähmende Nichtwissen hat sich in mir festgegraben.
Mein politisches ich war erwacht.

Fortan las ich alles, was irgendwie mit Geschichte und Politik zu tun hatte. Sogar Parteiprogramme las ich. Quälte mich durch ellenlanges Gewulste, bildete mir eine Meinung, einen Standpunkt. Konnte rechts von links unterscheiden - nun ja, politisch zumindest.

Natürlich wurde ich aktiv. In der Oberstufe. Die Grünen, Amnesty International - ich interessierte mich, engagierte mich, desillusionierte mich.
Letztlich, irgendwann.

Heute frage ich mich, wann mein politisches ich sich eigentlich bequem zur Ruhe gebettet hat? Während des Studiums war ich noch eifrige Golfkriegprotestlerin. Und danach?
Im Referendariat gab ich Amnesty auf, zu wenig Zeit.
Kurze Zeit später war ich ganz sicherlich nicht mehr "grün" zu nennen.
Und dann?

Ich habe den Eindruck, in den letzten Jahren sind viele Dinge einfach an mir vorbei gerauscht. Zur Kenntnis genommen, aber in Hast und Eile. An der Oberfläche gekratzt, nie in die Tiefe gehend.
Welche Rollen waren es, die mich meisterlich und gänzlich absorbierten? Das Muttersein? Das berufliche Dasein? Das Leben als Partnerin? Wohl kaum. Vielleicht werden Blickwinkel enger. Vielleicht lässt man sich aber auch einfach von einer Woge der Gleichgültigkeit mitreißen?

War ich selbst mir stets Zentrum genug?

Es hat mich erschreckt, als mein politisches ich sich mit einem Male zu recken und zu strecken begann. Es räkelte sich hier und da und wurde schier vom Sofa gerissen, als ich ein Buch begann zu lesen und es nicht mehr aus der Hand legen konnte.

"11. September, Geschichte eines Terrorangriffs" von Stefan Aust, Cordt Schnibben. Nicht nur der grausame Inhalt dieses Buch jagte mir Schauer des Entsetzens über den Rücken. Die Tatsache, dass mein Blickwinkel sich in den letzten Jahren deutlich verengt hatte, die Tatsache, dass ich achtlos mein politisches ich schlafen ließ, die Tatsache, dass ich mit Scheuklappen durch das Leben lief hat mich ebenfalls erschüttert.

Nein, ich war nicht gänzlich desinteressiert. Auch nicht uninteressiert. Aber ich habe das genau Hingucken unterlassen. Und ich habe weggesehen. Das ist für mich das Schlimmste. Gewesen zu sein, wie ich eigentlich nicht bin.

Glücklichweise lässt sich ändern, was als ungut entdeckt und aufgespürt wird. Und das ist durchaus ein sehr befreiendes Gefühl.

augenBloglich 07.08.2005, 20.17 | (1/0) Kommentare (RSS) | TB | PL

so viel Denken im Kopf

Mir sagte mal ein sechsjähriger Junge: "Ich habe immer so viel Denken im Kopf. Ich bekomme es nicht raus. Es ist einfach in meinem Kopf!" und ich wusste sofort, was der Junge meinte.
Vielleicht lernen wir zu wenig, mit all dem Denken in unseren Köpfen umzugehen. Vielleicht haben Therapeuten deshalb so einen Wahnsinnszulauf. Vielleicht müssen wir anfangen Kinder zu lehren, wie kostbar dieses Denken ist, wie einzigartig und wie unwiederbringlich.

Ich liebe all mein Denken im Kopf. Ja, es treibt mich in den Wahnsinn, nachts, wenn ich erwache, nicht wieder einschlafen kann und meine Gedanken ihre endlos erscheinenden Kreise zu ziehen beginnen.
Und ja, es macht mir Angst, wenn mein Denken eine Zukunft ausmalt, die mir Schauer über den den Rücken jagt.
Manchmal hasse ich meine Gedanken, wenn sie zu wahr sind, zu ehrlich und nicht in die Richtung treiben wollen, die ich für sie vorgesehen habe.
Doch letztlich liebe ich das Denken in meinem Kopf, denn das bin ICH.

Geankenfülle, Gedankenenge, Gedankenvielfalt - sie  gehören mir und es gibt Augenblicke, in denen ich spüre, wie mich nervtötende Gedanken - nahezu irre machende, stets wiederkehrende Gedankengänge - mich letztlich weiter bringen. Mich formen, mich prägen, mich wandeln lassen.

Ich hatte viel Zeit in den letzten Wochen. Viel Zeit für all mein Denken im Kopf und es hat mir weh, aber auch sehr gut getan.

Und letztlich geben Gedanken Kraft. Kraft und Mut und Hoffnung.
Es geht mir gut - jetzt, wieder!


augenBloglich 06.08.2005, 20.10 | (0/0) Kommentare | TB | PL

alá Schneewittchen

Mein soeben erfolgter Blick in die Tageszeitung offenbarte mir den Anblick des toten Papstes in einem gläsernen Sarg. Wahrscheinlich werden im Vatikan zu viele Märchen gelesen, anders kann ich mir die Geschmacklosigkeit alá Schneewittchen nicht erklären.

augenBloglich 18.05.2005, 14.42 | (0/0) Kommentare | TB | PL

Relikte der Babyzeit

Heute habe ich mich aufgerafft und die letzten Relikte der Babyzeit unserer Mädel bei Ebay eingestellt: zwei Kinderwagen.

Ein sonderbares Gefühl beschlich mich dabei. Ich weiß nicht, ob es direkte Wehmut ist, aber als kleinen Abschied von einer gewissen Zeit mit unseren Töchtern betrachte ich es schon. Längst sind sie alt genug, um ohne Kinderwagen zurecht zu kommen. Die Babyzeit ist vorbei, sie werden größer und vernünftiger. Vernünftiger?

Das ein oder andere Erlebnis fiel mir ein und ich musste an die Zeit nach Sophias Geburt denken, in der es durchaus recht turbulent bei uns zuging.

Einerseits bin ich froh, dass unsere Mädel schon so groß sind, andererseits hatte die Babyzeit auch etwas durchaus Knuddliges, Schmusehaftes und sehr Liebenswertes. Und mit einem Male werden die Relikte der Babyzeit zu profanen Verkaufsgegenständen und man hofft, noch möglichst "viel" dafür zu erhalten.

Eigentlich schade.

augenBloglich 15.05.2005, 13.12 | (0/0) Kommentare | TB | PL

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Marie
Toll, dass Du wieder bloggst!
Ich wünsche Dir ein frohes neues Jahr und hoffe, ich lese Dich nun wieder regelmäßig!
2.1.2015-4:56
Hanna
Nochmal herzlichen Dank für die Hilfe und du hast einen sehr tollen Blog ! (:
26.11.2011-16:21
Gartenfee
Hi, bist du gar nicht mehr hier am Werk??? Das wäre aber schaade.
25.2.2011-23:00
patricia
wie heißt deine lehrerin!!!!!!!!
1.3.2008-16:20
NIcole
Hey, ich find das super das Du Dich durchgesetzt hast bei den anderen Müttern. Ist doch egal was die sagen. Bin stolz auf Dich. lieben Gruß
NIcki
30.3.2007-9:25