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auf Umwegen

Ich bin auf Umwegen zu einem Buch gelangt. Ein Buch, das ich in einem Bücherladen kein zweites Mal mehr in Augenschein genommen hätte, das ich nie auserkoren hätte zu lesen, das an mir vorbeigegangen wäre.

Wäre. Denn auf "Umwegen" ist es zu mir gelangt. Und damit bin ich im Grunde schon wieder bei dem Thema "Worte". Zufällig stößt man im Internet aufeinander. Sendet sich eine kurze Nachricht und fühlt sich ganz unvermittelt und rasch einem anderen Menschen gedanklich verbunden. Ohne viel zu wissen, ohne großartige Offenbarungen und Gespräche geführt zu haben. Es geht nur um Literatur, man liest Worte eines anderen Lesers und empfindet, sieht eine gemeinsame Linie, ohne sie gezielt gesucht zu haben. Wenige Sätze und man gerät an ein Buch, das den anderen berührt hat.

So ging es mir mit "Die Blumen von Hiroshima" von Edita Morris. Zwei Abende habe ich da gelegen und gelesen und mich dabei innerlich zerrupft gefühlt. Obwohl alles, was das Buch schildert, wie in einem Vogelzug, leicht und unbeschwert an einem vorbei zu ziehen scheint, hinterlässt es ein dumpf trauerndes Gefühl und das Empfinden sowohl der eigenen Ohnmacht als auch des eigenen Augenverschließens.

Hiroshima. Mein Gott. Das ist weit weg. Unendlich entfernt von meinen kleinen Kümmernissen und Sorgen, die für mich den Zenit meines Daseins bilden. Hiroshima. was habe ich mit diesen Menschen zu tun ?

Alles und doch nichts. Mögen etliche tausend Kilometer und viele Jahre Geschichte dazwischen liegen, so ist das lange kein Grund dafür, die Augen zu verschließen. Nicht hinzuschauen, nicht wissen zu wollen, nicht mit zu trauern.

Während des Lesens war ich bezaubert davon, mit wie viel Anmut und Leichtigkeit, mit wie viel Selbstverständlichkeit und Annahme da grauenhafte Geschehnisse seicht und sanft in Nebensätzen anklingen. Gleichsam so, als hätte alles so kommen müssen und sollen. Und genau die Diskrepanz zwischen der zartfühlenden Schreibweise und den dahinter stehenden geschichtlichen, nahezu unerträglich grausamen Ereignissen hat die unbeschreibliche Brutalität der Geschehnisse hervorgehoben und mir das Gefühl vermittelt auf einer Luxusoase zu hausen, deren Wert ich nicht zu schätzen weiß.

Und manches Mal hätte ich für die Protagonistin schreien mögen, die gefangen in ihren gesellschaftlichen Zwängen, immerzu ihr Gesicht zu wahren hat. Und nicht zuletzt hat mich das Buch auch mit Scham erfüllt. Scham darüber, dass ich in meinem kuschlig weichen und warmen Bette liegend lese, welches Leid anderen Menschen widerfuhr. Das Buch aus der Hand lege und betroffen bin, ganz bestimmt. Berührt und traurig. Das Gelesene in meinem Herzen mit mir herum trage und doch im Grunde nichts weiter tue, als mein Leben weiter zu führen.

Gut, ein paar Tage lang weniger jammernd und im Selbstmitleid versinkend. Doch nie gleichsam das erfahrend, was andere Menschen durchlitten haben.

Kein Buch, von dem man sagt: "Das hat mir aber gut gefallen!" Wie unpassend. Was hätte einem gut gefallen können ? Die Atombombe und deren jahrzehntelangen Auswirkungen auf unschuldige Menschen ? Und doch: Ja, das Buch hat mir gefallen. Es hat mir gefallen, weil es mich aufmerksam gemacht hat. Weil es mich wach gerüttelt hat und wieder einmal die Erkenntniss in meinem Herzen gewachsen ist, dass vieles auf unserer Welt zu überdenken bleibt und wir so manches nie mehr wieder aus unseren Herzen und Köpfen lassen sollten.

Und könnte ich nur annähernd so gut schreiben wie die Autorin, würden meine Worte jetzt nicht zentnerschwer wiegen, sondern bisweilen heiter und seicht, sanft und zart und keineswegs erdrückend auf ein Buch aufmerksam machen, das viele Menschen lesen sollten, um es nicht wieder aus ihren Herzen zu lassen.

 

 

augenBloglich 13.11.2004, 19.45

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Nochmal herzlichen Dank für die Hilfe und du hast einen sehr tollen Blog ! (:
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Hi, bist du gar nicht mehr hier am Werk??? Das wäre aber schaade.
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Hey, ich find das super das Du Dich durchgesetzt hast bei den anderen Müttern. Ist doch egal was die sagen. Bin stolz auf Dich. lieben Gruß
NIcki
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