Augenbloglich

augenbloglich - augenBLOGlich - DesignBlog

Ausgewählter Beitrag

AUGENbloglich

Wer hätte gedacht, dass ich den Namen meines Blogs einmal derart werde akzentuieren müssen?
Ich sitze hier, mein Kopf dröhnt und ich warte darauf, dass die Anspannung der letzten 30 Stunden einer gesunden und befreienden Entspannung weicht.
Ich warte darauf, dass die letzten Stunden mit einem dumpfen Prall von mir abfallen und mein Herz nicht mehr schmerzt, als sei es in einen Schraubstock gespannt.

Als Sophia gestern morgen zu mir tappste, mit geschlossen Augen, jämmerlich schluchzend und weinend, mir erklärte, sie könne die Augen nicht öffnen und wenn sie sie öffnen würde, täte es so weh und sie sei blind, habe ich das alles erstmal auf die Freibadtage und das Chlorwasser geschoben.
Bis mein Kind irgendwann immer panischer wurde und rief: "Mama, ich bin blind, Mama, ich bin blind!"

Innerlich stiegt Panik in mir hoch. Mann außer Haus arbeitend, tief im Süden Deutschlands, packte ich beide Kinder ins Auto und fuhr 25 Kilometer zum augenärztlichen Notdienst.

Allein  die Fahrt war ein schierer Alptraum. Sophia litt und ich konnte ihr nicht helfen. Hilflos saß ich am Steuer, konnte nur gut zureden, während mir tausend Gedanke wie Angstblitze durch den Kopf zuckten.
Lena, die zunächst Sophia tröstetet, geriet schnell auch in Panik und weinte bitterlich:

"Mama, ich hab so Angst um Sophia. Mama, mein Herz tut so weh, weil ich Sophia doch so lieb hab. Mama, ich kann das nicht aushalten!"

Sophia hielt die Augen verschlossen und jammerte kläglich.

Ein netter Augenarzt hatte Notdienst und die nun folgenden Untersuchungen waren für alle Beteiligten schwierig und mühsam.
Sophia litt.
Und ich konnte nichts weiter tun, als mein Kind im Arm zu halten, während Lena alleine auf einem Stuhl saß, mitlitt und weinte.

Als die Diagnose feststand musste alles sehr schnell gehen. Überweiung zur Uni Klinik in die nächstgrößere Stadt, 36 Kilometer von hier.
Sofortige OP.

Ein Metallteil war Sophia ins Auge geraten und musste - so der Arzt - schnellstmöglich entfernt werden.

Man denkt nicht groß nach, in solchen Minuten. Man tut, was man tun muss und fragt sich hinterher, wie man alles bewerkstelligt hat.

Lena blieb bei den Großeltern, bitterlich weinend, sehr aufgelöst. Wie gerne hätte ich sie getröstet, hätte Zeit für sie gehabt, aber ich musste mit Sophia so schnell es ging zur Uni Klinik.

Es war Samstag. Der arme diensthabende Arzt der Augenklinik war völlig überlastet.
Sie müssen einige Stunden warten, erklärte man uns. Sophia dürfe nichts essen, nichts trinken.

Mittlerweile war es halb zwölf Mittag.
Gegessen und getrunken hatte Sophia gegen acht. Sie hatte Durst. Sie hatte Hunger. Sie hatte Schmerzen. Sie konnte nichts sehen. Sie wollte heim.

Und ich, ich hätte alles darum gegeben, ihr all diese Schmerzen und Ängste abzunehmen.
Die Untersuchungen, die Sorgen.

Immer wieder Untersuchungen. Immer wieder Gespräche und der Hinweis darauf, dass das Auge höchstwahrscheinlich erblinden wird.
Immer wieder auch die Frage, wie so ein Teil in ihr Auge gelangen konnte und vor allem wann.
Es musste schon tagelang in ihrem Auge sein, wurde erklärt und mir fiel nur ein, dass ein Nachbar gerne in seiner Einfahrt flext, während die Kinder draußen spielen.....
Sophia konnte sich nicht erinnern. Und im  Grunde, im Grunde war es mir herzlich egal, wann das Teil wie ins Auge geraten war.
Nur raus musste es. So viel stand fest.

Gegen 17 Uhr konnte Sophia erstmalig nicht mehr und begann bitterlich zu weinen und zu klagen, sie schrie förmlich nach zu Hause und ich konnte sie so gut verstehen.

Man sitzt, auf einem leeren Flur, wartend. Ängstlich. Man sorgt sich, weiß nicht, was als nächstes kommt und spürt die Angst das Kind zerfressen.

Und dann der Moment vor dem OP, wenn man das eigene Kind in die Arme eines wildfremden Menschen gibt und diesem Menschen blindlings - im wahrsten Sinne des Wortes - vetraut.
Sophias Ärmchen, die sich nach mir strecken. Ihr Weinen und Mamarufen und die eigene totale und gänzliche Hilflosigkeit. Das Ausgeliefertsein, der Gedanke daran, was das eigene Kind nun denkt, welche Ängste durch ihren Kopf und Körper jagen, wie verlassen sie sich fühlen muss.

Ich saß dort, auf dieser kleinen grünen Bank vor dem OP und konnte nicht daran denken, dass man meinem Kind hilft. Konnte nur daran denken, dass sie ihre Arme nach mir ausgestreckt hat und ihr Blick fassungslose Angst und bloßes Entsetzen wiederspiegelte.
Beklemmung breitete sich in mir aus. Tiefe, schmerzenden Beklemmung.
Ich hatte mein Kind verlassen und das, obwohl ich die ganzen Stunden vorher gesagt habe, ich sei immer bei ihr....

Gegen 18 Uhr wurde sie in den OP geschoben und die Minuten tropften unendlich langsam an mir vorbei.
Eine Stunde später hatte ich Sophia wieder.
Schlafend lag sie in diesem riesen Krankenhausbett, einen OP Kittel mit kleinen Bärchen darauf an.

Es sei alles gut verlaufen erklärte man mir, man hätte fräsen und bohren müssen, das Metallteil hätte tief und fest in der Hornhaut gesessen und ein Rosthof (?) hätte sich bereits gebildet.
Ich habe das alles gar nicht richtig aufnehmen können.
Selig darüber, mein Kind wieder zu haben.

An ihrem Bette sitzend kam mir dann in den Sinn, was noch alles kommen kann.
Die Entzündung, von der der Arzt sprach und die mögliche Erblindung. Schmerzen, Narben, Sehfehler.

Und ich denke daran, dass wir am Tag zuvor noch fröhlich tollend Lenas sechsten Geburtstag gefeiert haben.

Gegen 20.30 Uhr wacht Sophia auf.
Ich weiß nicht, was ich erwartet habe?
Ein traumatisiertes Kind?
Ein ängstliches Kind?

Sie wacht auf, sieht mich, weint ein wenig und möchte dann dringend etwas trinken und nach Hause.

Nach Hause kamen wir dann erst gegen 24 Uhr.
Eine müde Mutter, mit den Nerven ziemlich am Ende und ein müdes Kind, stolz wie Oscar:
"Mama, sowas Schlimmes hatte die Lena noch nie, oder? Mama, ich war doch danz tapfer, oder?"

Und heute Morgen nimmt mein Staunen darüber, was Kinder so wegzustecken zu scheinen kein Ende.
Die Nachuntersuchung in der Augenklinik am heutigen Vormittag macht sie bereits wie ein Profi mit.
Obwohl sie nicht viel sieht, ihr Auge blutig und geschwollen ist, tollt sie herum, ist fröhlich und man hat nicht den Eindruck, als lägen all diese Strapazen hinter ihr.

Ich bewundere mein Kind.
Mir, mir nämlich sieht und merkt man die Strapazen an. Und dass, obwohl es nicht mein Auge, nicht meine OP, nicht meiner Untersuchungen waren.

Ich warte immer noch auf die Erleichterung.
Ich warte immer noch auf den plumpsenden Stein.

Aber ich bin froh.
Froh, an so nette und kompetente Ärzte geraten zu sein!










augenBloglich 16.07.2006, 14.18

Kommentare hinzufügen

Die Kommentare werden redaktionell verwaltet und erscheinen erst nach Freischalten durch den Bloginhaber.



Kommentare zu diesem Beitrag

11. von Manuela

Liebe Unbekannte,

zufällig bin ich hier auf deine Seite gekommen, und habe deine Verzweiflung um deine tapfere tochter gelesen.
Vielleicht zur Beruhigung. Ich hatte selbst mit 11 einen Metallsplitter im rechten auge, einen tag später zum augenarzt und ich wäre blind- all diese Horrornachrichten wurden uns damals unterbreitet und haben den Kopf meiner Eltern wohl zum Schwirren gebracht. Ich wurde operiert und habe ein halbes Jahr ang schwer und kaum was gesehen- immer wieder creme und tropfen. nach einem halben jahr ging es besser, und nach einem Jahr war es weder schmerzhaft noch hatte es auswirkungen. Heute bin ich 28 und sehe ganz normal, habe keine Schmerzen mehr, lediglich einen kleinen schwarzen punkt auf der Linse wenn ich direkt in die Sonne schaue- was man ja eh nicht soll :)
´Glaub daran, dass alles gut wird, ich schicke euch positive gedanken, besonders an die Tapfere Tochter.
herzliche grüße
manuela

vom 20.07.2006, 13.33
10. von Ludovika

beim lesen deines eindringlichen berichts immerzu nach luft geschnappt! an früher gedacht, wo meine tochter sich auf dem spielplatz einen schädelbruch holte u. wir tausend ängste durchstanden: es wurde alles gut. das hoffe ich auch sehr, sehr bei euch!!!!
gruß von Lu

vom 17.07.2006, 12.59
9. von Sternenstaub

Ich habe beim Lesen mitgelitten. Ich wünsche dir starke Nerven und deiner Tochter alles alles Gute. Ich drücke die Daumen, dass die Entzündung schnell zurückgeht und so wenige Spätfolgen wie möglich bleiben!!!
Liebe Grüße
Sternenstaub

vom 17.07.2006, 12.12
8. von andrea

*ganz feste die daumen drücke*!!! deine kleine war echt total tapfer... alles liebe und möge alles ein gutes ende nehmen. andrea

vom 17.07.2006, 10.17
7. von Halterli

Auch ich möchte mich den vielen guten Wünschen anschliessen, hoffe ganz fest für euch, dass alles wieder gut kommt. Aber deine Kleine war echt tapfer... Und du auch! Ich weiss nicht, wie ich das hinbekommen hätte, sowohl in der Situation deiner Tochter, als auch in deiner Situation... ! Das wird schon wieder!

Seid gegrüsst aus der Schweiz

Halterli

vom 17.07.2006, 00.13
6. von Doris

Liebe Suan ! So eine Situation ist schlimm...ich denk an euch und gute Besserung für die Kleine.Liebe Grüße Doris

vom 16.07.2006, 23.26
5. von strelizie

Liebe strubbelsuse,

das geht wirklich an die Nerven. Ich kann das so gut verstehen, man möchte dem Kind so gern alles abnehmen und kann doch gar nichts tun.
Ich drück euch ganz fest die Daumen, dass es euch allen bald wieder gut geht!

Viele, ganz liebe Grüße
Karin

vom 16.07.2006, 21.50
4. von Regina

Liebe Susanne,

ich sitze hier und heule waehrend ich dein Post lese.
Oh Nein! Was fuer ein Alptraum. So eine tapfere kleine Maus.
Ich druecke euch ganz doll die Daumen und wuensche der kleinen Kaempferin alles, alles Gute und eine ganz schnelle Besserung.
Bestimmt ist bald alles wieder in bester Ordnung.
Liebe Gruesse und sei ganz fest umarmt,

Regina

vom 16.07.2006, 19.54
3. von Powerflower

Dein Bericht geht sehr zu Herzen. Strubbelsuse, ich denke ganz fest an euch, dass das Augenlicht gerettet werden kann. Halt uns bitte auf dem Laufenden.

vom 16.07.2006, 19.41
2. von Referendarin

Oh nein, Suse. Das ist ja schrecklich! Was habt ihr da gestern für einen Tag durchgemacht! Und dein Töchterlein ist so tapfer.
Ich drücke euch ganz ganz feste die Daumen, dass das Auge gut verheilt und es keine Komplikationen gibt und dass ihr euch wieder gut erholt! Und dass der Stein plumpst und die Erleichterung kommen kann!

Ganz liebe Grüße
Referendarin

vom 16.07.2006, 18.03
Antwort von augenBloglich:

Liebe Referendarin,

vielen herzlichen Dank!!
s.

1. von dasMiest

Meine Güte, was für ein Alptraum! Fühl' dich mal gedrückt und festgehalten und versuche tief durchzuatmen, zehnmal hintereinander (das hilft tatsächlich).

Ich wünsche euch, das alles gut verheilt und möglichst wenig zurückbleibt.

Viele liebe Grüße und ganz viel positive Gedanken, dasMiest

vom 16.07.2006, 17.28
Antwort von augenBloglich:

Vielen Dank für die lieben Wünsche.
Wir können sie gerade sehr gut brauchen.

s.

Internes
Letzte Kommentare:
Rosi:
hihiein toller Berichtich hätte mich schon g
...mehr
angelface:
am LIebsten würde ich dir ja laut zurufen:"
...mehr
Herr Rau:
"Paket! Paket!"Sehr mutig, all das. (Ein biss
...mehr
Anja:
Ich hab grad Tränen gelacht. an Apple a
...mehr
Anja:
Yes. Auch eines meiner Learnings
...mehr
Shoutbox

Captcha Abfrage



Marie
Toll, dass Du wieder bloggst!
Ich wünsche Dir ein frohes neues Jahr und hoffe, ich lese Dich nun wieder regelmäßig!
2.1.2015-4:56
Hanna
Nochmal herzlichen Dank für die Hilfe und du hast einen sehr tollen Blog ! (:
26.11.2011-16:21
Gartenfee
Hi, bist du gar nicht mehr hier am Werk??? Das wäre aber schaade.
25.2.2011-23:00
patricia
wie heißt deine lehrerin!!!!!!!!
1.3.2008-16:20
NIcole
Hey, ich find das super das Du Dich durchgesetzt hast bei den anderen Müttern. Ist doch egal was die sagen. Bin stolz auf Dich. lieben Gruß
NIcki
30.3.2007-9:25