Ausgewählter Beitrag
Feenkult
Ganz zwangläufig macht man als Elternteil recht rasch die Bekanntschaft mit geschäftstüchtig erfundenden Feen aller Art.
Neben der Zahnfee gibt es da anscheinend bereits die Schnullerfee und auch eine Flaschenfee scheint bei einigen Kindern zu Besuch gewesen zu sein.
Bislang stellte sich mir stets die Frage, warum jeder natürliche Entwicklungsschritt des Kindes mit einem "Zückerchen" versüßt werden muss und so blieben die Feen unserem Haushalt fern.
Unseren Mädel fiel dies natürlich auf und so stellte sich ihnen irgendwann die Frage, warum ausgerechnet zu ihnen keine wie auch immer geartete Fee kommt?
Nun, Schnuller haben beide nicht genommen, Flaschen wurden irgendwann entsorgt und im Zahnfeealter sind wir - glücklicherweise - noch nicht.
Irgendwie schien unsere Jüngste sich feenmäßig diskriminiert zu fühlen und beschloss, die Sache nun mal selbst in die Hand zu nehmen.
Samstag Abend verkündete sie nun also:
"Heute Nacht tommt die Schlafanzugfee und holt meinen Schlafanzug und lässt mir eine Überraschung hier!"
Sofort schrillten die mütterlichen Alarmglocken.
Fee?
Überraschung?
Samstag Abend?
Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, wenn unsere Tochter ihren bis zur Unkenntlichkeit abgeschmusten Drecklappen, der einst ein Schlafanzug war, abgeben würde, aber ich hatte da jetzt eher weniger an Überraschungen und Feen und dergleichen gedacht und irgendwie kam mir das jetzt , ja, recht überraschend.
Mir brach schon ein klein wenig der Mutterschweiß aus, ob der misslichen Lage.
Egal was ich tun würde, es gäbe Tränen und Enttäuschung.
Rückte ich mit der Wahrheit heraus, dass solche Feen die bloße Erfindung geschäftstüchtiger Erwachsener sei, hätte ich nicht nur einen Kindertraum zerstört sondern mich sofort als liebevolle Mutter disqualifiziert.
Ließ ich mein Kind den Schlafanzug vor die Tür legen und ihn ebendort liegen, hätte zwar die olle Fee den Ärger, aber ich ein verstörtes Kind.
Von einer Überraschung war weit und breit nichts zu sehen, denn ich gehöre zu jenen unorganisierten Menschen, die nie Geschenkchen auf Vorrat zu Hause haben.
Ich befand mich in einer misslichen Lage, die sich aber noch dramatisch zuspitzen sollte:
"Mama, ich hab schon mit der Fee alles bespricht. Die hat eine tolle Überraschung für mich!"
"Was denn für eine Überraschung?"
Das sag ich nicht, das weiß die Fee aber.
Na sowas, wie praktisch.
Anderer Trick:
"Manchmal brauchen Feen auch Helfer, willst du mir nicht verraten, was du dir von ihr wünscht?"
"Die Schlafanzugfee nicht, Mama, die tann das alleine!"
Muss ja 'ne tolle Frau sein!
Ich fühlte mich, gelinde gesagt, in der mütterlichen Klemme, doch es kam noch besser.
Etwas später - der Schlafanzug lag vor der Tür - verkündete Sophia so nebenbei:
"Montag muss ich nicht in den Tinderdarten, da holt mich die Schlafanzugfee und nimmt mich mit zu ihrer Geburtstagsfeier in den Wolken!"
Ah, jaaa.
Nun, bei aller mütterlichen Liebe und sämtlichen Anstregungen, DIESEN Wunsch würde ihr ganz sicher niemand erfüllen.
Langsam aber sicher begann ich alle Feen zu verabscheuen. Mit Grausen dachte ich daran, welche Feen uns noch alle bevorstünden. Zahnfee, Schulfee, Führerscheinfee, Abiturfee.
Ein Abgrund tat sich auf.
"Schatz, ich glaube nicht, dass es eine Schlafanzugfee gibt!" entfuhr es mir, um diesem Alptraum rechtzeitig zu entrinnen.
Mit tiefer Überzeugung erwiderte mein Kind:
"Mama, davon verstehst du nichts. Du bist ja tein Tind mehr!"
Ich saß in der Falle. In der Feenfalle.
Tief tief drinnen, sehr auswegslos.
Um mich nicht gänzlich als Rabenmutter zu zeigen, setzte ich mich also hin - während mein Kind schlief - und schrieb im Namen der wunderbaren Schlafanzugfee einen Brief.
Selbstverständlich mit Glitzer. Selbstverständlich auf rosa Papier.
Wenn schon, dann müssen auch alle Klischees bedient werden.
Ich schrieb, dass Feen leider keine Kinder zu sich holen können und ähnlich Abwegiges.
Kurzzeitig nahm ich meine geistige Umnachtung wahr, schrieb dann aber einfach weiter.
Der nächste Morgen kam. Eine erwartungsvolle Tochter öffnet die Tür. Sieht dem Brief und ist zunächst schwer begeistert.
Während ich den Brief vorlese - es ist 5.40 Uhr Sonntagmorgen - beginnen die Tränen zu fließen.
Welch eine Enttäuschung diese Schlafanzugfee.
Sie wird nicht kommen und Sophia nicht mitnehmen.
Kein Geburtstag hoch über den Wolken, nichtmal ein Geschenk.
Mein mit aller Mutterliebe geschriebener Brief wird mit Verachtung gestraft.
Ich sehe meinem Kind an, dass es sich sehnlichst den ollen Schlafanzug wieder her wünscht.
Am liebsten stünde ich auf, ginge zum Schrank, nähme das Teil und gäbe es ihr zurück.........
Aber als Mutter tut man nicht immer das, was man am liebsten täte und so ließ ich mein Kind mit der Fee hadern.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass zu uns nie wieder irgendeine Fee ihren Weg finden wird.
Ich bin mir aber auch ziemlich sicher, dass diese bittere Enttäuschung meinem Kind in Erinnerung bleiben wird.
Und was bleibt ist ein mütterlich schlechtes Gewissen, wieder mal irgendwas nicht vernünftig geregelt bekommen zu haben.
Manchmal habe ich das Gefühl, genau das ist es, was mein Muttersein ausmacht.
Gibt es eigentlich keine Mutterschaftsfee?
Ich könnt grad eine brauchen.......
Da kann ich mich Ute nur anschließen. Wollte ich nämlich auch gerade schreiben! :)
vom 19.01.2006, 13.16