Ausgewählter Beitrag
Glanz und Gloria sind erloschen
Schneller als erahnt sind Glanz und Gloria des Einschulungstages erloschen.
Der Stolz und die Freude auf die Schule sind bereits von Lena abgebröckelt wie alter, staubiger Putz.
Sichtlich anstrengend findet mein Kind die Tatsache, dass es sich direkt mit sieben verschiedenen Lehrpersonen auseinandersetzen muss - zwei davon allein in Mathe - und sichtlich furchtbar findet sie die Betreuung.
Nachvollziehen kann ich ihre Empfindungen, allein das Ändern der Tatsachen obliegt mir leider nicht.
Herr Rüttgers ist sicherlich stolz auf die Schlagzeilen der 7000 Lehrereinstellungen und mit höchster Wahrscheinlich sehr glücklich darüber, dass die 9000 Ruheständler niemand erwähnt.
Die Klassenlehrerin meiner Tochter ist gleichzeitig die Klassenlehrerin eines 3. Schuljahres. Mit sechs Stunden in ihrer eigenen Erstklassklasse soll sie richten, was Politiker am grünen Tisch verzapfen.
Von gesetzlichen vorgeschriebenen 20 bis 21 Stunden träumen wir hier.
Lena hat genau 18 Stunden. Inklusive Sport, Förderunterricht und allem, was so anfällt.
Jedes Fach ein anderer Lehrer, Mathe sogar zwei Lehrer. Die eine Lehrkraft mit drei, die andere mit zwei Stunden in der Woche.
Ja, so ist Schule definitiv anstrengend für Erstklässler und Lehrer.
Dazu noch eine Betreuung, deren Mitarbeiter antiquierte Erziehungsmethoden statuieren.
Kindern klatscht man mittags den Teller proppevoll und wer nicht aufisst bleibt sitzen, bis der Teller blitzeblank ist.
Kein Reden beim Essen, kein Wackeln, kein Raunen.
Mein Kind ist sichtlich geschockt.
"Mama, in dem Raum ist auch kein Durchzug, da stinkt es immer so und das Problem ist, das wirkliche Problem, die Kinder müssen immer alles machen und die Erwachsenen tun gar nichts!"
Zudem herrscht Chaos in der Betreuung. Kinder werden zum falschen Zeitpunkt nach Hause geschickt, bzw. nicht nach Hause gelassen, wenn sie eigentlich gehen dürften.
Kinder werden in die falschen Betreuungskurse geschickt und niemand hört ihnen zu, wenn sie erklären, sie müssen aber zum Computer Kurs und nicht zum Tanzen.
Meine Nerven liegen schon jetzt blank und das nach nur wenigen Tagen.
Leider sind wir auf die Betreuung angewiesen.
Leider.
"Jaja, sagen Sie nur immer, wenn Sie ein Problem haben!" , forderte mich die eine Dame der Betreuung auf, deren Namen ich nach wie vor nicht kenne, da sie es bislang nicht für nötig hielt, sich den Eltern oder gar den Kindern vorzustellen.
Mit dieser Erklärung dreht sie sich entnervt um und kullert gekonnt mit den Augen.
Ich denke, sie wird noch des öfteren etwas zu Kullern haben.
Diese Situation kann und werde ich nicht so hinnehmen.
Anders die Lehrer, die sich alle sichtlich bemühen, den Kindern die unangenehme Situation so leicht wie möglich zu machen.
Doch auch sie sind ja die Leidtragenden.
Und letztlich ist meinem Kind bereits nach wenigen Tagen Freude, Stolz und Neugier genommen.
Sie schlägt sich wacker, aber in ihren Augen Enttäuschung.
"Mama, Schule ist anders als du gesagt hast!" prangert sie an.
Und sie hat Recht!
Dein Bericht geht mir wirklich sehr nahe, und ich leide mit Dir und mit Deiner Tochter. Das ist schlimm, wie ihre Erwartungen und ihre Motivation durch die "Verhältnisse" zerstört werden.
Ich erlebe das von der Kehrseite, der Lehrerinnenseite (Förderschule) ebenso, wie die Vorgaben zu Zwängen bei der Lehrkraftzuweisung (Abordnungen), Verunmöglichung von mühsam entwickelten Schulkonzepten, Zerschlagung von Teams, unpädagogischen Stundenplänen, unglaublichen Kürzungen ... führen.
Das ist noch schlimmer, dass dieses schlimme Einzelschicksal Deiner Tocvhter sich vieltausendfach wiederholt.
Ich versuche es für meine 10 Kiddies in der Klasse mit unbezahlten und unerlaubten Mehrarbeitsstunden teilweise auszugleichen (und schreibe hier deshalb nicht unter meinem sonst dir und anderen bekannten Namen, für die Kritik und das Engagement kann man sich sonst obendrein noch Ärger einhandeln ...)
Mitfühlende Grüße, Beatrix
vom 25.08.2006, 13.17