Ich liebe Bücher. So ist das nun einmal. Ich gehe sozusagen eine symbiotische Beziehung mit jenen Werken ein, die ich einst las und lese.
Rein platztechnisch wurde es nun aber mal Zeit, sich von einigen Exemplaren zu trennen.
Vor Monaten hatte ich schon grob vorsortiert und etwa 135 Bücher beiseite gelegt, um, ja, um sie irgendwann einmal "loszuwerden".
Gestern nun schien ein prächtiger Tag für die Bücherloswerdaktion.
Frohen Mutes und vor allem guten Willen begab ich mich also in den Haufen Bücher, der - grob vorsortiert - nun seit Monaten hier herum lag und das eh schon volle Arbeitszimmer aus allen Nähten platzen ließ.
Bereits als ich das erste Buch zur Hand nahm, meldete sich der böse Büchergeist in mir:
"
Du willst "Eva Luna" von Allende weggeben?", wollte er entrüstet wissen und meinen Einwand:
"Ich habe es irgendwann mal gelesen, weiß nicht mal mehr was drin steht!" verwarf er direkt mit:
"Dann lies es nochmal. Man gibt doch ein Allende Buch nicht weg!"
Zögerlich schwenkte das Buch in meiner Hand.
"Es ist eine Allende Buch, das gehört zur Allgemeinbildung", raunte der böse Büchergeist mir zu und auch wenn ich den Einwand richtig schwach fand, stapelte ich das Buch vorsorglich mal bei den Eventuellfällen.
Während Buch zwei und drei keinerlei bösen Geister und nostalgischen Gefühle hervorriefen, enfuhr dem bösen Büchergeist bei Exemplar 4 ein zorniger Ausruf:
"Nicht dieses Buch! Bist du verrückt!?"
"Äh, es ist ein Jugendbuch, ich habe es gelesen als ich 12 war!"
"Jaja, ich weiß, "Pfui, Spinne" von Nöstlinger, aber ich bitte dich. Erinnere dich an das Weihnachtsfest von 1982!"
"Ja, ich weiß", seufzte ich
"Damals erhielt ich das Buch, las es noch am Heilig Abend durch und beglückte am nächsten Tag meine Familie beim Weihnachtskaffee mit der detaillierten Schilderung von fünf jugendlich harmlosen Sexszenen, die in dem Buch vorkamen!"
"Genau, es war doch der Hit, als du verkündest hast, das Buch sei sooo klasse, Tim und Nina trieben es gleich fünfmal hintereinander...... und sämtlichen Verwandten fiel das Essen aus dem Mund! So ein Buch gibt man doch nicht weg."
"Genau, war ich schon fast überzeugt, vielleicht wollen meine Töchter es irgendwann mal lesen....!"
Vorsorglich verschwand nun auch dieses Werk auf dem Eventuellstapel und so langsam wurde ich gut Freund mit dem bösen Büchergeist.
Ich meine, der Gute hatte aber auch stets und immer so verdammt recht.
Wie kann ich ein Lexikon der Antike, selber schon schwer antik weggeben, wenn ich gar nicht wissen kann, ob ich es je noch einmal brauche?
Gut, im Zeitalter des Internet ist die Warscheinlichkeit, dass ich je wieder in dieses Werk schaue verschwindend gering, aber man weiß doch nie, oder?
Oder dann Konsalik. Ich besitze genau einen Konsalik. "Geliebte Korsarin". Heiß und innig geliebt mit 13/14 Jahren.
Weiß ich, ob ich im Alter nicht nocheinmal Konsalik Gelüste bekomme?
Gut, ganz aktuell ist es eher schämenswert, aber wozu gibt es Abstellräume?
Und dann die Kinderbücher. Nicht meine, nein, die nicht mehr aktuellen unserer Kinder.
Die KANN ich doch nicht EINFACH weggeben.
Was zum Teufel sollen dann die irgendwann-Enkelkinder bei ihrer Oma lesen?
Nein, nein, so ging das nicht merkte ich schnell.
Stunden waren vergangen und der Eventuellstapel bog sich bereits bedenklich zur Seite, als ich den bösen Büchergeist kurzzeitig des Raumes verwies, Mülltüten holte und alles mit fest geschlossenen Augen in selbige packte.
13 Mülltüten waren das. Randvoll.
Es hat übrigens etwas durchaus Schwieriges an sich, Bücher mit geschlossenen Augen in Mülltüten zu packen.
Ich hielt den bösen Büchergeist in Ketten, ich sperrte ihn ein und missachtete sein Seufzen, Keuchen, Stöhnen, Heulen.
Nach dem schweißtreibenden Akt die Säcke in meinem Auto zu verstauen, wusste ich jedoch nicht so recht weiter.
Wegschmeißen?
"Um Himmelswillen, viel zu schade!", schrie es aus dem Käfig zu mir rüber.
Na gut, also klapperte ich sie ab.
Die Krankenhäuser und Bibiotheken, die Second Hand Shops und Werkstätten.
"Vorsortiert?" war die Standardfrage
"Äh, nein!", meine stete Antwort und so wurd ich sie nicht los, die Lasten meiner Vergangenheit.
"Siehste, das ist Schicksal!" keifte es hysterisch von der Büchergeist Seite.
"Genau!", stimmte ich zu, als ich sah, dass vor mir gerade ein Altpapiercontainer geleert wurde.
"MÖRDERIN!", waren seine letzten an mich gerichteten Worte.
Ich weiß nicht, wohin er entschwunden ist, der böse Büchergeist, aber ich, ich fühle mich herrlich befreit.