Lena freut sich auf Dienstag Nachmittag.
Dienstag Nachmittag findet stets ihr heißgeliebter Schwimmkurs statt.
Auch ich freue mich. Gibt es etwas Schöneres, als bei diesem trüben, trostlosen, feuchtnassen Wetter eintauchen zu dürfen in die 35 Grad eines kleines Hallenbades?
Nun gut, man muss Nerven wie Drahtseile haben, um das Gekreische der 10 Kinder auszuhalten, die da frohgemut durch das Wasser tollen. Auch sollte man nicht allzu zimperlich sein, was das Schwitzen betrifft.
Und ganz und gar unempfindlich sollte man gegenüber jenen Müttern sein, die man am liebsten bereits nach fünf Minuten......
Nun gut.
Lassen wir das.
Ich bin ganz entspannt.
Der Schwimmkurs, um die ganze Geschichte jetzt mal durchaus sachlich anzugehen, findet in einer winzigen Halle statt. Über die Temperatur und das Klima dort muss ich keine weiteren Worte verlieren.
Die Mütter sitzen auf einer feuchten Bank nahe des Beckenrandes und bewundern ihre Sprösslinge und deren Leistungen.
[Desinteressierte Mütter wagen es auch schonmal innerhalb der 60 Minuten ihren Blick von ihrem begabten Sprössling abzuwenden und in eine Zeitschrift oder ein Buch zu schauen - nicht, ohne durch strafende Blicke getadelt zu werden.]
Nun saß ich also dort und schaute und lobte und las.
Wäre da nicht dieser Junge gewesen, der überhaupt nicht in den Kurs gehörte, sondern heute mal als weitaus älterer Bruder zu Gast war.
Dieser Junge sprang sehr gerne vom Beckenrand.
Er hatte sichtlichen Gefallen daran und an sich ist an solch sportlichen Aktivitäten nichts auszusetzen.
Nur - jetzt muss schließlich ein "nur" kommen - nur sprang er erstens immer dann, wenn er nicht springen durfte und sollte, sprang er zweitens immer den kleinen Kindern (also auch meinem begabten Sprössling) auf den Kopf und machte er drittens mir Vorliebe "Arschbomben".
Der erste gekonnte Sprung ließ einen großen Schwall Wasser über mich und eine neben mir sitzende Mutter schwappen.
Nun ja. Wir lächelten gequält - Kinder eben.
Die Mutter lachte lauthals - klar, sie bekam keinen Tropfen ab, saß schließlich am anderen Ende.
Der zweite Sprung brach Lena - um es mal überspitzt zu formulieren - beinahe das Genick.
Die Mutter lachte lauthals - klar, ihre kleine Tochter schwamm am anderen Beckenrand.
Der dritte Sprung beschwappte mich erneut mit einer Woge Chlorwasser, mittlerweile konnte ich meine Bluse auswringen.
Die Mutter lachte lauthals - klar, sie saß immer noch im Trockenen.
Der Schwimmlehrer, ein wahrer Schatz, versuchte den Jungen das Springen zu unetrsagen. Allein: Es blieb beim Versuch, den die Mutter kommentierte:
"Lassen Sie ihn doch, er meint es ja nicht böse!"
Nun, wie soll ich es formulieren, das Gefühl, das in mir zu wachsen begann. Ach sagen wir mal so, nach dem sechsten oder siebten Sprung war ich nahe davor, Mutter und Kind mit einem gezielten Tritt außerhalb des Bades zu befördern.
Gedanklich, nur gedanklich.
In der Praxis sah das so aus, dass ich meinen Platz wechselte und Mutter und Sohn bitterböse Blicke zu warf.
Die Mutter lachte lauthals - klar, ich war ihr ja auch noch nicht an die Gurgel gesprungen.
Der Kurs nahm seinen Verlauf, nicht ohne dass das Bürschchen mal hier mal dort penetrant störte, spritzte, sprang. Nicht, dass die Mutter nicht hin und wieder schadenfroh lachte.
Ich saß, las und wurde nass.
Ich saß anderswo und las nicht mehr und wurde wieder nass.
Ich saß sonstwo, kochte vor Wut und saß in einer wogenden Welle - nahe davor selbst Schwimmbewegungen auszuführen.
Die Mutter lachte. Sie lachte und saß und wurde nicht nass.
Ihre Tochter schwamm und bekam keinen zehnjährigen Jungenpopo ins Genick.
Lena schwamm und musste hartnäckig gegen einen frühpubertierenden Störenfried ankämpfen.
So ist das Leben.
Der Kurs nahm sein Ende.
Gott ja, es ist mir peinlich und außerdem sehr schleierhaft wie mir beim Abduschen meines Sprösslings die Dusche aus der Hand gleiten konnte.
Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie das geschehen konnte. Glücklicherweise rutschte der Duschkopf mit samt seinen herausspritzenden Wassermassen so gänzlich nicht in meine Richtung.
Selbstverständlich ist es schade, dass die lachende Mutter mit einem Male nichts mehr zu Lachen hatte. MICH hätte es ganz sicher auch geärgert, wenn mein mit Make-up zugekleistertes Gesicht von Wassermassen getroffen in schmierigen, teigigen Klumpen zerlaufen wäre.
Natürlich hätte ich auch um meine Edeljeans und das Drumherum getrauert.
Aber wie das Leben so spielt. Mich traf kein Tröpfchen.
Unglaublich, welche Wege Wasser mit einem Male nehmen kann.
Und mal ehrlich:
"Lassen Sie mich doch, ich meine es ganz bestimmt nicht böse!"