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Misstrauen

Es gibt Begebenheiten bei denen ich verwundert vor mir selber stehe und mich frage, wann ich meine persönliche, innere Entwicklung verpasst habe. Gestern erst begegnete ich einem mir bis dato völlig fremdem "ich".

Mit vollbepackten Händen lud ich soeben Kinder, Kinderwagen und Schwimmzeugs ins Auto, als ein ausländischer, kleiner Junge mich ansprach und bat, einmal telefonieren zu dürfen. Der Junge war gemeinsam mit seiner Mutter unterwegs und beide versicherten mir, sie hätten sich verlaufen und würden gerne den Vater anrufen, ob er sie abholen könnte.

Ich reagierte nicht unmittelbar, sondern ließ erst meine Millionen skeptischer Gedanken passieren. Ich hatte irgendwo mein Notfallhandy stecken, sah den Jungen bereits mit dem Teil davon laufen. Die beiden warteten, versuchten aber nochmal nachdrücklich ihre missliche Lage auszudrücken, mein Zögern bemerkten sie natürlich.

Schon da schaute ich irritiert auf mich selber und fragte mich, wie es dazu kommen konnte, dass ich nicht schlicht und einfach aushalf, ohne zu Zögern, ohne lange zu überlegen.

Ich gab dem Jungen mein handy, er telefonierte kurz und dann bedankten sich Mutter und Sohn überschwänglich. Jetzt im Nachhinein betrachtet frage ich mich, warum ich nicht einmal gefragt habe wohin sie müssen. Vielleicht hätte ich sie irgendwo absetzen können. Die Idee ist mir gestern erst gar nicht gekommen. Ich hatte ernsthaft Sorge um dieses mickrige, nie von mir benutzte handy. Das darf doch wohl nicht wahr sein. Ich frage mich, was und wann es geschehen ist, dass mich derart zögern ließ ? Noch vor wenigen Wochen, das behaupte ich jetzt einfach mal, wäre mir nie der Gedanke gekommen, man könne mich anlügen, um mir etwas zu stehlen. Ich hätte nicht eine Sekunde infrage gestellt, dass diese Menschen wirklich in einer misslichen Lage sind.

Noch etwas anderes gibt mir zu denken. Hätte ich ebenso gezögert, wäre die Bitte von einer älteren Dame gestellt worden ? Von deutschen Mitmenschen ? Ich habe Ausländerfeindlichkeit nie verstanden, nie gemocht, nie unterstützt und hatte auch noch nie Anlass dazu. Doch diese Fragen drängen sich mir nun auf und ich bin ganz und gar nicht glücklich damit.

Andere Menschen mögen das "gesundes Misstrauen" nennen, ich aber habe für einen kurzen Augenblick auf ein "ich" geschaut, das mir nicht gefallen hat.

Und das ganz große Erschrecken liegt darin, dass das Zögern, das Misstrauen einfach so in mir war. Mit einem Male - grundlos. Ich möchte lieber einmal mehr falsch helfen und auf die Nase fallen, als ehrlichen Menschen Dinge zuzutrauen, die so gar nicht beabsicht waren.

Manchmal überrascht das eigene Ich einen schon sehr.

 

augenBloglich 26.08.2004, 13.05

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