Ich habe es getan. Wagemutig - Realisten würden es hirnverbrannt nennen - nahm ich am 90 minütigen Aerobic & Step Einführungskurs teil.
Immerhin starte ich in die zweite Abnehmrunde und es liegen weitere 15 bis 20 Kilochen vor mir.
Es hieß zuvor: Für
absolute Anfänger. Damit meinten die also Menschen wie mich. Pünktlich zog ich von dannen, fand mich zwischen dreißig schlanken Damen wieder, denen ich nur ins Gesicht schauen musste, um zu erkennen, dass ihnen bei dem Kurs nicht mal das Make-up verlaufen würde.
Die perfekte Umgebung für mich. (Nicht weil ich schlank wäre, nein, weil ich erst gar kein Make-up trage!)
"Hey, wer von euch hat denn noch nie Aerobic gemacht?", schreit Yvonne, die Kursleiterin.
Enthusiastisch reiße ich meinen Arm in die Höhe (im guten Glauben, das täten nun ALLE), nur um ihn kurz darauf verschämt lächelnd wieder abzusenken.
"Och, nur du. Das ist ja klasse. Dann gehen wir es direkt ein wenig schneller an!", jubelte Yvonne, die Dame des Einsteigerkurses.
Mit einem Male dröhnte mir laute Musik in den Ohren und wilde Befehle wurde durch die Gegend geschrien. Das Mädel neben mir fing an zu hüpfen, also hüpfte ich auf gut Glück ebenfalls.
Gut, ich merkte zu spät, dass das Mädel nur hüpfte, weil sie sich wohl irgendwie den Fuß verknickst hatte, aber Hüpfen kann ja irgendwie nie so richtig verkehrt sein.
Ein bisschen seltsam fand ich es schon, dass Yvonne sich mit der flachen Hand auf den Kopf schlug, aber da ich diese Bewegung beherrschte und sie mir weder Atem noch Energie nahm, machte ich auch dies willig nach.
Mag sein, dass ich ein wenig bis knallrot anlief, als Yvonne durch ihr Mikro schrie:
"Hey, wenn ich mir mit Hand auf den Kopf schlage bedeutet das nur: Von Anfang an!"
Sicher, wusst ich, wollte mich nur mal rasch kratzen dort oben.
Nach 15 Minuten war ich nicht nur schweißgebadet, nein, ich badete auch in Scham und überlegte, ob es zu peinlich wäre, den Saal genau JETZT zu verlassen. Allerdings war mein Ehrgeiz (Ehrgeiz???) angestachelt und ich dachte:
"Euch blöden Tussis zeigs ichs!" (Man möge mir die "Tussis" verzeihen, aber ich war physisch und psychisch nicht mehr Frau meiner Sinne!)
Diese Schrittfolgen und Drehungen, dieses Gehüpfe und Geschlenkere mit den Armen forderte meine ganze Konzentration. Es hat durchaus etwas sehr Unangenehmes, wenn man mit einer ganzen Wand von Frauen zusammenstößt, die sich alle in die verkehrte Richtung zu drehen scheinen.
Auch das Drauflatschen auf den Fuß des Nachbarmädels macht die Sache nicht leichter oder weniger peinlich.
Irgendwann konnte eh keiner mehr erkennen ob mein gerötetes Gesicht vor Scham oder außer-Puste-sein den Rotton angenommen hatte, also war eh alles egal.
Die Parole hieß: Durchhalten!
Ich aerobicte was das Zeug hielt. Meine Arme ließ ich allerdings irgendwann nur noch baumelnd herabhängen, da ich eindeutig schon sehr damit ausgelastet war meine Füße an die richtige Stelle zu setzen.
Durchhalten.
Nicht, dass meine Bewegungen von großem Taktgefühl zeugen würden. Der große Wandspiegel zeigte mir dies auf eine sehr unerschütterliche Weise und ich nahm mir vor, beim nächsten Mal (nächstes Mal ??) keine Brille zu tragen.
Während ich mich durch den Aerobic Part noch gerade eben so durchwurschtelte wurde es ganz wild, als wir die Stepteile holen mussten.
Na, diese Dinger, die aussehen wie XXL Fußbänke, nur eben nicht aus Holz sondern aus Kunststoff.
"Hey, Susanne, stell dein Teil ruhig niedrig ein. Die anderen bitte auf "hoch"!" Es ist schön, dass die ganze Gruppe direkt erfährt was für eine Niete ich bin. So hält jeder direkt Abstand.
Hat alles was Praktisches an sich.
Das mit dem Step jedoch ist sehr vertrackt. Während ich beim Aerobic nach vorne schauen und schlicht nachmachen konnte, musste ich nun nach vorne schauen und dann schnell wieder auf das Stepteil, um selbiges bei den drolligen Schrittkombinationen nicht zu verfehlen.
Gucken, schauen, nachmachen - dies führte unweigerlich dazu, dass ich immer drei Übungen nachhinkte.
Naja, das mit dem Peinlichkeitsgrad ließ sich nicht steigern und überhaupt, DURCHHALTEN war die Parole.
Mein rechts-links Problem wurde beim Step zu einem großen Problem, die Drehungen brachten mich gänzlich raus, irgendwann machte ich einfach irgendwas.
Und zu diesem Zeitpunkt begann ich mich besser zu fühlen - nein - wirklich.
Was interessierte mich Yvonne mit ihrer blöden Choreografie. Das kann ich auch selbst.
Ich steppte alles aus mir heraus, was mir das nach vorne schauen ersparte und kam bestens klar.
Sicher, ich gelte jetzt im Studio als Gefahrenquelle und ein wenig verschroben, aber ich kann voller Stolz behaupten: Ich habe 90 Minuten Aerobic und Step durchgehalten.
Durchgehalten.
Ohne Asthmaprobleme. Ohne wegzulaufen. Ohne Gejammere. Ohne Verletzung.
Ich bin eine Heldin.
Oder einfach nur blöde.
Wie man's nimmt!